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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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wütend auf die Tischplatte hämmerte, um den Tumult zu beenden.
    »Lassen Sie niemanden mehr rein, Madame!«, schrie John Law. »Die Menschen verlieren den Verstand!«
    Der Kutscher rempelte Catherine an, entschuldigte sich mehrmals und stieß dann gleich mit mehreren Leuten zusammen, die sich ebenfalls gewaltsam Eintritt ins Haus verschafft hatten und nun zu John Law vorgelassen werden wollten.
    »Verbarrikadieren Sie die Tür«, schrie Angelini, »wir brauchen Soldaten!«
    Der Kutscher trat unterdessen ins Freie, hob seine Geldscheine in die Höhe und brüllte aus vollem Hals: »Ich bin Millionär!«
    Und seine Stimme hallte über die ganze Place Louis-le-Grand.
     
    »Millionär«, lachte Larcat, »das ist ein neues Wort. Jemanden, der eine Million Livre besitzt, nennt man ab heute Millionär.«
    Larcat saß im Konferenzsaal über der Druckerei und musterte amüsiert seine Gäste. Samuel Bernard machte eine abfällige Handbewegung. Er kochte vor Wut, suchte nach Worten und noch mehr nach einem Ausweg. D'Argenson und Crozat wechselten Blicke. Sie konnten einfach nicht begreifen, was sich da in Paris abspielte.
    Saint Simon schmunzelte: »Es wird schwierig sein, Monsieur Law zu stürzen, da jeder Parlamentarier Aktien kauft!«
    »Zitieren Sie wenigstens Voltaire«, herrschte der Bankier Samuel Bernard den Verleger Larcat an, »Voltaire hat dem Parlament einen Brief geschrieben. Er schreibt: Seid ihr in Paris denn alle verrückt geworden? Ich höre nur von Millionen reden! Hat die halbe Nation in den Papiermühlen den Stein der Weisen gefunden? Ist Law ein Gott, ein Schurke oder ein Scharlatan, der sich selbst mit jener Droge vergiftet, die er an alle austeilt? Zitieren Sie aus dem Brief, Monsieur!«
    »Voltaire und ich«, amüsierte sich Saint Simon, »sind wohl die einzigen Pariser, die noch keine Aktien gezeichnet haben.«
    »Wirklich?«, fragte d'Argenson skeptisch.
    »Ja, wirklich, Monsieur. Ich bewundere die Fähigkeiten von Monsieur Law, ich schätze seine kultivierte Art...«
    »Die Mutter des Regenten erzählt, dass er in Anwesenheit von fünf Damen sein Geschlecht entblößt und uriniert hat«, protestierte Bernard, »ist das Kultur?«
    »Man hat ihn dazu gezwungen«, mischte sich Crozat ein, »das hörte ich aus sehr verlässlicher Quelle, und im Übrigen, Monsieur Bernard, werden Sie erst verstehen, was Kultur ist, wenn Sie Louisiana gesehen haben. Wie wollen Sie die Größe eines Apfels bewerten, wenn Sie keinen zweiten Apfel zum Vergleich haben?«
    »Hören Sie mir auf mit diesem Geschwätz, Crozat, Sie haben wohl auch schon Aktien gezeichnet!«, schrie Bernard.
    Crozat nickte und grinste über beide Ohren.
    »Messieurs«, protestierte Saint Simon, »ich bin unterbrochen worden. Ich wollte kundtun, dass ich Monsieur Law äußerst schätze, auch wenn ich die aktuellen Ereignisse in keiner Weise gutheißen mag. Aber ich bin von seiner Aufrichtigkeit absolut überzeugt. Seine Motive sind edel. Er denkt nicht an sich, sondern an Frankreich!«
    D'Argenson wandte sich an Larcat: »Und was wird morgen in der Zeitung stehen, Monsieur?«
    »Es gibt Dinge«, dozierte Larcat, »die sehr unwichtig sind, aber höchst interessant. Und dann gibt es Dinge, die zwar uninteressant, aber von großer Wichtigkeit sind.«
    Alle Anwesenden schauten Larcat erwartungsvoll an. »Seit heute gibt es ein neues Wort. Es heißt Millionär! Und ich glaube, dieses neue Wort interessiert ganz Paris. Ganz Frankreich. Ganz Europa!«
     
    »O«, seufzte der Duc d'Orleans, »schon wieder ein neues Wort.« Er ließ die Zeitung auf den Tisch sinken. Die Überschrift des Leitartikels auf der ersten Seite bestand aus einem einzigen Wort: Millionär.
    Der Herzog war bemüht, die Augen offen zu behalten. Er war müde und fühlte sich unwohl. Er saß am Kopf des Konferenztisches und dachte nach. Man wusste es nicht so genau. Man vermutete, dass er nachdachte. Es war aber durchaus möglich, dass er gerade einschlief. Nach einer Weile sagte er: »Monsieur Law, als ich meine geliebte Mutter heute Morgen in ihrem Schlafgemach besuchte, sagte sie mir: Ich bin fünfmal Millionärin.« Der Duc d'Orleans schwieg eine Weile. Dann schaute er zu Saint Simon hinüber, der verschmitzt vor sich hin lächelte.
    »Gibt es auch ein neues Wort, wenn man fünffache Millionärin ist?«, fragte der Herzog.
    »Ich weiß es nicht, Monsieur. Aber ich denke, bei einem Gewinn von fünf Millionen Livre innerhalb von drei Monaten kann man diese sprachliche Unsicherheit

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