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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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stand er auf, machte ein paar Lockerungsübungen. Es schmerzte. John biss die Zähne zusammen und versuchte weitere Übungen. Auch an den Schmerz kann man sich gewöhnen, dachte John. Es ist alles eine Frage der Einstellung.
    Schließlich warf er den nassen Lappen fort. Er ging zum Ofen, um nach der Holzkiste mit den Spielmünzen zu suchen.
    Sie war verschwunden.
     
    In dieser Nacht bekam John Law kein Auge zu, und bereits lange vor Morgengrauen war er wieder auf den Beinen. Als das erste Licht den Himmel erhellte, machte er sich auf den Weg. Er ging über den ungepflasterten Hof, der die kleine Kirche von Eaglesham mit dem Pferdestall von Reverend Woodrow verband. Der Boden war knöcheltief aufgeweicht. Lehmige Klumpen klebten am Schuhwerk und verlangsamten den Schritt. John nahm den Weg entlang der umzäunten Weide und ging Richtung Fluss. Der Fluss war über die Ufer getreten, hatte aber die Brücke nicht unter Wasser gesetzt.
    George war bereits da. Nervös und ungeduldig schlug er seinen Degen gegen sein linkes Bein, während er fünf Schritte vorwärts ging, abrupt wendete und dann wieder fünf Schritte zurückging. Erst jetzt bemerkte John Law, dass sich unter einer Baumgruppe, die sich am Ende der Pferdeweide befand, Schaulustige eingefunden hatten. Als er näher kam, erkannte er seine Studienkollegen. Sie waren alle gekommen. George hatte sie bestellt. Als Zeugen. Ja, George hatte sich für heute Morgen allerhand vorgenommen.
    Als John Law die Brücke erreichte, schabte er an einer Holzplanke die lehmigen Klumpen von den Sohlen ab. Robert löste sich aus der Gruppe der Schaulustigen und humpelte zur Brücke hinunter.
    »Das ist mein Sekundant«, schrie George und zeigte auf Robert. John nickte: »Ich brauche keinen Sekundanten, die Zeugen dort drüben sind genug.«
    »Das ist deine Entscheidung«, entgegnete George und wandte sich laut und deutlich an Robert: »John hat sich gestern bei einem Sturz verletzt. Frag ihn, ob er imstande ist, sich zu duellieren, ob er durch seine Verletzung beeinträchtigt ist und ob es sein freier Wille ist...«
    »Ich bin in bester körperlicher Verfassung und duelliere mich aus freiem Willen«, schrie Johr Law, ohne Roberts Worte abzuwarten. »Aber wollten wir nicht zuerst eine finanzielle Angelegenheit regeln?« John lächelte. Er wollte George demütigen. Doch zu seiner großen Überraschung holte jetzt Robert eine ihm wohl vertraute Kiste unter seinem Regenumhang hervor und stellte sie auf den Boden zu Johns Füßen.
    Jetzt grinste George bis über beide Ohren.
    »Ich dachte, vielleicht ist das Kistchen zu schwer für dich. Deshalb habe ich es herbringen lassen. Oder hast du etwa an meinem Ehrgefühl gezweifelt?«
    John Law war irritiert. Er hatte George falsch eingeschätzt. George demonstrierte, dass er sich an die Regeln halten wollte. Dass er ein Gentleman war. John kniete nieder, um einen Blick in die Kiste zu tun, und ein schmerzhafter Stich bohrte sich ihm wie ein Messer zwischen die Rippen. John dachte, dass ein echter Gentleman keinen Verletzten zum Duell auffordern würde. Nein, George spielte bloß den Gentleman. In seinem Herzen würde er stets der jähzornige, ungehobelte Sohn eines Großgrundbesitzers bleiben. John öffnete die Kiste. Die Spielmünzen waren verschwunden. Stattdessen lagen eine Hand voll Gold- und Silbermünzen darin. Mit dem geübten Blick des Kartenspielers, der den Wert von aufgetürmten Münzen unmittelbar erfassen konnte, sah er, dass die Summe korrekt war.
    »Willst du nicht nachzählen?«, fragte George.
    John Law erhob sich wieder. Er trat einen Schritt näher auf George zu.
    »George«, begann John mit freundlichem Lächeln, »was hältst du davon, wenn wir zusätzlich noch einen Einsatz tätigen? Ich würde gern die Goldmünzen einsetzen. Und auch die Silbermünzen, die du mir als Zins beigefügt hast.«
    George war sprachlos. Wie konnte jemand so schnell den Wert von Münzen erfassen, so schnell erkennen, dass der überzählige Betrag einem üblichen Zinseszins von fünf Jahren entsprach? Und wie konnte jemand, der nachweislich verletzt war, derart siegessicher sein? George reichte seinem Sekundanten Robert den Degen. Dann löste er den Lederbeutel von seinem Gurt, öffnete ihn, entnahm ihm einige Gold- und Silbermünzen. Mit großer Geste warf er sie in die Holzkiste.
    »Der Sieger nimmt alles«, schrie George, »das ist unser beider Wille.« Dann wandte er sich den fünf Zeugen zu, die nun ebenfalls zur Brücke hinuntergestiegen

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