Das Große Spiel
waren. Robert wiederholte laut und deutlich, dass beide Duellanten gesund seien, dass sie sich freiwillig duellieren würden, dass man kämpfen werde, bis einer aufgebe oder nicht mehr kämpfen könne, und dass der Sieger den gesamten Inhalt der Holztruhe erhalten werde. Dann entriss George Robert seinen Degen und stampfte die Brücke hinunter. Robert folgte ihm.
John senkte den Kopf, konzentrierte sich und machte ein paar blinde Fechtbewegungen. Er spürte, wie sein Körper wieder zu Kräften kam, mit jedem Atemzug. Er schwor sich, dass er siegen werde, dass er keine Schmerzen empfinden werde. Er prägte sich ein, dass es ein Kampf auf Leben und Tod war, dass George ihn töten wolle. Er redete sich ein, dass er um das nackte Überleben kämpfte. Natürlich wusste er, dass George ihn nicht töten wollte. George wollte ihn nur demütigen. Aber für John Law war es wichtig, dass er alles auf eine Karte setzte: Alles stand auf dem Spiel - sein Geld, seine Reputation, sein Leben. »Non obscura nec ima«, murmelte John, als sich die beiden Kontrahenten aufstellten.
Robert gab das Signal. George kam in schnellen Schritten über die Brücke gelaufen, während er zornig mit seinem Degen hin und her fuchtelte. John machte lediglich ein paar Schritte, brachte sich in Position und parierte den ersten wütenden Angriff mit Routine. Die Schmerzen waren weit größer als erwartet. John wollte sie vergessen. Er war sicher, dass er sich nach ein paar weiteren Attacken an die Schmerzen in den Rippen und an der Schulter gewöhnt haben würde. George lancierte die nächste Attacke, noch wilder und zorniger als die erste. John warf ihn erneut zurück, setzte nach und traf ihn in der Rippengegend. George schien erstaunt. Er fasste sich an die Wunde, führte sich die blutgefärbte Hand vor Augen und starrte dann hasserfüllt zu John hinüber. John stand ruhig auf der Brücke. Er wartete auf den nächsten Angriff.
»Wollen wir es beenden, George?«, fragte John.
»Niemals!«, presste George hervor und stürmte wieder auf John zu. John parierte erneut erfolgreich. George konnte nicht zurückweichen. John hatte seinen Fechtarm fest umklammert. Beide Degen zeigten kerzengerade in den Himmel. Nur die beiden Klingen trennten ihre Gesichter. George schäumte vor Wut. Er schaffte es nicht, sich aus der Umklammerung zu lösen. John zeigte keinerlei Emotionen. Wie ein Fels stand er da, unerschütterlich, unbeeindruckt. Wütend stieß George sein Knie in Johns Unterleib. John sackte zusammen. George setzte nach. Er schlug ihm mit dem metallenen Griffbügel, der seine Fechthand umgab, auf den Kopf. Doch George stand zu nah, um John mit dem Degen richtig treffen zu können. Erst als John sichtlich benommen zurückwich und sich wieder aufrichtete, holte George mit dem Degen aus und stach zu. John wich erneut zurück und glitt dabei auf den nassen Holzplanken aus. Er stürzte zu Boden, blieb auf dem Rücken liegen. George stieß einen wilden Freudenschrei aus. Er schien noch zu überlegen, wie er das Ende gestalten sollte. Doch John rollte sich blitzschnell unter die unterste Holzlatte der Brüstung und stürzte sich in den Fluss. Er hatte Glück, dass der Fluss Hochwasser führte und er nicht auf einen Felsen aufprallte. Das eiskalte Wasser raubte ihm fast die Sinne. Er richtete sich auf, spuckte Wasser aus und blieb im Flussbett stehen. Den Degen hielt er immer noch fest umklammert.
»Wir sind noch nicht fertig, John«, schrie George von der Brücke hinunter.
John kämpfte sich mühsam ans Ufer zurück. George lief ans Ende der Brücke und stieg dann die Böschung hinunter. John blieb im Wasser stehen. Der Untergrund bestand aus feinen Kieselsteinen und verlieh ihm einen wesentlich besseren Halt als George, der jetzt die lehmige Uferböschung hinunterglitt. Panikartig versuchte er sich wieder aufzurichten.
»Kniestöße sind verboten unter Gentlemen«, sagte John und kam langsam auf George zu. Er vermied jedoch, das sichere Flussbett zu verlassen. George gelang es, wieder Tritt zu fassen. Er umfasste seinen Degen. Blitzschnell stieß er ihn nach vorn, doch John parierte den Schlag heftig und zog seinen Degen wie eine Sichel über Georges Wange. George schrie laut auf, ließ den Degen fallen und fasste sich ans linke Ohr.
John nahm Georges Degen aus dem Wasser und ging ans Ufer zurück.
»Gentlemen«, rief John den Kommilitonen zu, »der Kampf ist zu Ende.« Mit diesen Worten warf er den erbeuteten Degen in hohem Bogen fort. Dann fügte er
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