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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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hinzu: »Und wenn ihr mir die Kiste tragen könntet, wäre ich euch verbunden.« Dann ging John Law durch den matschigen Grund zur Pferdeweide hinüber.
    Vor dem Pferdestall war eine Tränke. Dort wusch sich John das Gesicht und kühlte die Stelle am Kopf, wo ihm George den Schlag mit dem Degengriff verpasst hatte.
    »John! Es ist noch nicht zu Ende!«
    John drehte sich um und griff nach seinem Degen, den er auf dem steinernen Trog abgelegt hatte. George kam trotzig auf ihn zugestapft, gefolgt von Robert, der ihn offenbar von seinem Vorhaben abbringen wollte. George presste einen Stofffetzen mit der linken Hand an sein blutendes Ohr. In der anderen Hand hielt er den Degen, und John bereute, dass er ihn nicht in tausend Stücke zerbrochen hatte.
    »Lass es gut sein, George«, sagte John und wich ein paar Schritte zurück.
    George warf den blutgetränkten Stofffetzen fort und stürzte sich ohne ein weiteres Wort auf John. Doch George war geschwächt. John parierte routiniert und drehte Georges Degen mit einer geschickten Kreisbewegung um seinen eigenen. George ließ den Degen los, der in hohem Bogen über den Hof flog. George hechtete hinter der Waffe her, doch John stach ihm seinen Degen in die Schulter. Nicht tief, aber so, dass es schmerzte. George hatte seine Waffe erreicht, nahm sie auf und zischte: »Es ist noch nicht zu Ende, John.«
    John stach blitzschnell zu, zwischen dem dritten und vierten Rippenbogen. »Es ist zu Ende, George.«
    Langsam knickte George ein, sackte auf die Knie. Dann streckte er die Arme nach vorn, versuchte, sich auf allen vieren zu halten, den Kopf zu heben. Seine Hände fanden keinen Halt. Langsam glitten sie nach vorne, gruben sich tief in den matschigen Boden. Der Oberkörper sank nach vorn, langsam, als würde die Zeit gleich stehen bleiben. Dann klatschte das Gesicht in eine Pfütze. George lag da, halb auf dem Rücken, schwer röchelnd. Dort, wo vor einer Stunde noch sein Ohr gewesen war, floss das Blut in Strömen und vermengte sich mit dem Regenwasser in den braunen Lachen.
    John kniete nieder: »Ein Mann sollte wissen, wann er besiegt ist.«
    »Würdest du es wissen?«, fragte George mit glasigen Augen.
    John konnte nicht erkennen, ob er George das ganze Ohr abgetrennt hatte. Zu viel Blut. George musste ihn trotzdem verstanden haben.
    »Es ist vorbei, George«, wiederholte John Law, »es ist endgültig vorbei, George.« John Law erhob sich wieder.
    »Es wird nie vorbei sein, John, nie.«
    Unter dem Tor, das zum Pferdestall führte, standen Robert und die anderen Schüler eng beieinander.
    »Bringt ihn endlich weg«, schrie John zu ihnen rüber, »oder wollt ihr, dass er hier verblutet?«
    John Law schritt über den Hof, in einigem Abstand gefolgt von Robert mit der Holzkiste. Hinter einem der Fenster im ersten Stock des Schlafsaals erkannte John Law eine Silhouette. Es war Mr Hamilton, der Fechtlehrer.
     
     

Kapitel IV
    EDINBURGH, 1693
     
    John Law war zweiundzwanzig Jahre alt, als er im Frühjahr mit einer Kutsche in Lauriston Castle vorfuhr. Er wusste gleich, dass er hier nicht lange bleiben würde. Sein erster Blick galt dem Turmzimmer. Der steinerne Sims war vom Taubendreck gereinigt, der früher alles überzogen hatte. John Law war erstaunt, wie sauber und gepflegt das ganze Anwesen war.
    »Ich muss Ihnen ein Kompliment machen, Madam«, sagte John, als er sich im Salon aus der Umarmung seiner Mutter löste, »Lauriston Castle sieht prächtiger und schöner aus denn je.«
    Jean Law lächelte wohlgefällig und wollte etwas entgegnen, als Janine in den Salon platzte. Sie war losgelaufen, um ihren kleinen John zur Begrüßung zu umarmen, aber der groß gewachsene, stattliche Mann, der da vor ihr stand, elegant gekleidet, charmant lächelnd, war nicht mehr der Junge, den sie einst zärtlich an ihren Busen gedrückt und liebkost hatte. Die Röte schoss ihr ins Gesicht. Plötzlich schämte sie sich der erotischen Lektionen, die sie dem kleinen John seinerzeit erteilt hatte. Mit gesenktem Kopf kam sie ein paar Schritte näher, verneigte sich kurz und sagte: »Willkommen auf Lauriston Castle ... Sir ...«
    John Law nahm sie liebevoll in die Arme und küsste sie auf beide Augen. Jean Law wandte sich indigniert ab und begab sich demonstrativ an den Tisch. Dann kam William hereingeplatzt. Wild und ungestüm. John bemerkte gleich, dass Janine und er ein Verhältnis hatten. Er sah es in Williams Augen. Und er sah auch, dass die Gefühle von Rivalität und Neid, die bei seinem Abschied

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