Das Große Spiel
erscheinen ließen.
»Mr Law«, begann Betty Villiers, »ich habe gehört, dass gestern Abend in einem Jagdschloss nordwestlich von Moorfields Dinge vorgefallen sind, die dem König missfallen könnten.«
John Law zeigte keine Regung. Er wollte hören, was sie zu sagen hatte. Er war sich sicher, dass auch Betty Villiers gestern Abend anwesend war. Ebenso wie der König.
»Haben Sie Edward Wilson Beau bereits zum Duell aufgefordert?«, fragte Betty Villiers nun ohne Umschweife.
John riss die Augen auf. Das war es also. »Bis jetzt nicht«, antwortete er überrascht.
»Was soll das heißen? Dass Sie es noch im Sinn haben oder dass Sie bisher nicht daran gedacht haben? Beau Wilson hat Sie öffentlich in Ihrer Ehre gekränkt, Mr Law of Lauriston.«
Betty Villiers hielt inne und lächelte.
»Ich bin sicher«, sagte John Law, »dass Mr Wilson sich noch heute bei mir entschuldigen wird.«
»Würden Sie eine solche Entschuldigung annehmen?«, fragte Betty Villiers ungeduldig.
»Vielleicht«, erwiderte John Law, der seine Contenance wiedergefunden hatte, »vielleicht auch nicht.«
»Der Hof hätte durchaus Verständnis, wenn Sie die Entschuldigung ablehnen würden.«
John Law bedankte sich mit einer eleganten Verbeugung. Betty Villiers schien zufrieden. Sie lächelte neckisch, reckte den Po und begann mit ihrem Fächer zu spielen.
John Law erwiderte das Spiel der Galanterie und führte seinen Gast zu einem Stuhl mit vergoldeten Armlehnen. Nachdem Mrs Villiers sich gesetzt hatte, begann er im Salon auf und ab zu gehen.
»Wenn Sie mir eine Frage gestatten:Wie kann sich ein Mann wie Edward Wilson, der über keinerlei Immobilien, Ländereien oder Manufakturen verfügt, einen derartigen Lebenswandel leisten?« Er blieb stehen und sah sie an.
Betty Villiers lächelte: »Diese Frage möchten viele Leute in London beantwortet wissen.«
»Sie kennen die Antwort, Mrs Villiers, ich bin mir sicher.«
»Menschen sind schwieriger zu durchschauen als Karten, Monsieur Law«, sagte Betty Villiers und zupfte an ihrem Brusttuch, als leide sie plötzlich unter Hitzewallungen.
»Ich durchschaue Karten nicht, Madam. Sondern die Menschen, die die Karten in Händen halten«, lächelte John Law. »Würden Sie es denn gern sehen, wenn ich mich mit Edward Wilson duellieren würde, Madam?«
»Niemand würde Ihnen deswegen Vorwürfe machen, Sir«, lächelte Betty Villiers.
»Und der König würde es sogar begrüßen?«, fragte John Law mit charmantem Lächeln. Er stand nun hinter Betty Villiers und zog sanft an ihrem Brusttuch. Betty Villiers errötete und schloss die Augen.
John Law berührte ihre Schultern: »Wenn Sie jetzt in Ohnmacht fallen, Madam, sollten Sie den jungen Mädchen Schauspielunterricht erteilen.«
Betty Villiers öffnete blitzschnell die Augen. Galant gab ihr Law das Brusttuch zurück. Während sie es wieder zwischen ihren Brüsten drapierte, sagte sie: »Sir, wenn Sie eine Audienz beim König wünschen, kann ich Ihnen eine solche besorgen. Aber nur, wenn Ihre Ehre intakt ist.«
Nachdenklich musterte John Law die Mätresse des Königs. »Edward Wilson hat Sie beleidigt, Mr Law of Lauriston. Es ist Ihr gutes Recht, Genugtuung zu verlangen.« Sie sprach nun sehr energisch.
»Wenn es mein gutes Recht ist, Madam, wieso steht darauf die Todesstrafe?«
»Sir«, antwortete Betty Villiers mit einem drohenden Unterton in der Stimme, »in der Londoner Gesellschaft ist das Duell die einzige Möglichkeit für einen Gentleman, seine beschmutzte Ehre wiederherzustellen. Daraufsteht die Todesstrafe, ja, das ist richtig. Aber noch nie wurde seit KönigWilliams Thronbesteigung ein siegreicher Duellant zum Tode verurteilt. Nicht nur Kartenspiele haben ihre Spielregeln!«
»Ich denke«, sinnierte John Law, »ich habe das Spiel, das Sie mir anbieten, verstanden.«
»Der König persönlich wird seine schützende Hand über Ihr Schicksal halten. Wenn Ihre Ehre intakt bleibt, steht einer Audienz nichts mehr im Wege. Es sei denn, England geht unter.
Und das ist doch eher unwahrscheinlich«, kokettierte Betty Villiers und spielte erneut mit ihrem Fächer.
»Da gebe ich Ihnen absolut Recht, Madam. Und Wahrscheinlichkeitsrechnungen sind schließlich mein Metier.«
Als Betty Villiers das Treppenhaus hinunterstieg, stand die Wohnungstür im Erdgeschoss offen. Beau Edward Wilson war gekommen, um seine Schwester zu besuchen. Die beiden waren offenbar in einen Disput geraten. Als Edward Wilson Betty Villiers sah, verlor er die
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