Das Große Spiel
Bank gewinnen ließ. Wilson konnte das Tor zu König William III. sein. Aber dieses Tor musste sich öffnen, bevor John Law bankrott war.
Eines Tages nahm John Law auf Drängen von Edward Wilson die Einladung auf ein Jagdschloss an. Mit einer sechsspännigen Kutsche fuhr Beau Wilson am späten Abend vor. Der Beau hatte nur so viel verraten, dass John dort möglicherweise einen Mann treffen würde, dem er seine Theorie der wunderbaren Geldvermehrung unterbreiten könnte. Als John Law geantwortet hatte, dass ihm nur ein König helfen könne, hatte Beau Wilson kokett gelächelt und wie üblich neckisch die Zungenspitze gezeigt.
Die Kutsche fuhr die Tottenham Court Road hinauf Richtung Norden. Beau Wilson erzählte von seinen letzten Einkäufen, von Möbeln, die er im »Green Dog« ersteigert hatte, von Zuchthengsten aus königlichen Gestüten und von neuen Bediensteten, die schon am Hofe gedient hatten.
»Ihr Vermögen muss unerschöpflich sein«, sagte John Law anerkennend. Edward Wilson neigte nur den Kopf zur Seite und strich sich mit der Zunge amüsiert über die Oberlippe. »Darf ich fragen, mit welchen Geschäften Sie Ihr Vermögen erworben haben?«
Edward Wilson lachte laut heraus: »Aber Mr Law of Lauriston. Ganz London rätselt über die Herkunft meines Vermögens. Sagten Sie nicht selbst, dass gewisse Dinge einfach geschehen?«
»Da müssen Sie mich missverstanden haben, Mr Wilson«, entgegnete John Law mit einem diskreten Lächeln. »Jedes Geheimnis weckt die Neugierde der Menschen. Und hat nicht jede Münze eine Herkunft?«
Das Jagdschloss lag tief verborgen in den Wäldern nordwestlich von Moorfields. Es war mit hohen, schwarzen Eisengittern eingezäumt und wurde von elegant gekleideten Knappen bewacht. Sie trugen historische Theaterkostüme im Stil der italienischen Renaissance. Sie waren bewaffnet. Nachdem sich Wilson mit einer kleinen Karte ausgewiesen hatte, ließen die Posten die Kutsche passieren. Der Weg zum Jagdschloss war mit brennenden Fackeln illuminiert. Der Park schien seit Generationen nicht mehr richtig gepflegt worden zu sein. Die Bäume links und rechts des Weges hatten schon eine stattliche Größe erreicht. Es war mehr ein eingezäunter Wald als ein Park. Vielleicht wollte man die Sicht auf das Jagdschloss bewusst versperren. Das Gebäude mochte bereits an die zweihundert Jahre alt sein. Es verfügte über zwei Stockwerke und wurde links und rechts von runden Wehrtürmen abgeschlossen. Die saubere Fassade und der über die breiten Steinstufen ausgelegte rote Teppich kontrastierten augenfällig mit dem vernachlässigten Anwesen.
Die Kutsche hielt vor dem Eingangsportal. Auch hier wurden sie von jungen Burschen in Renaissancekostümen erwartet. Sie trugen weiße Karnevalsmasken. Galant öffneten sie die Türen der Kutsche und halfen beim Aussteigen. Einer der jungen Männer begleitete die Gäste ins Schloss. Es waren kaum Stimmen zu vernehmen. Alles verlief schweigend.
Im Inneren wurden sie von einem weiteren maskierten Mann empfangen. Er trug ein schwarzes Wams aus Seidensamt, das mit Goldfäden bestickt war. Darunter ein weißes, mit einer Halskrause zusammengebundenes Hemd. Die engen Beinlinge entsprachen der Idealisierung des menschlichen Körpers, wie sie in den italienischen Stadtstaaten üblich gewesen war. Der Hosenlatz war überproportional groß und mit einer auffällig bestickten Schamkapsel bedeckt. Mit einer Geste forderte der Wächter die Besucher auf, ihre Mäntel abzulegen und sich schwarze Kapuzenmäntel überzuwerfen. Anschließend wurden ihnen goldene Gesichtsmasken gereicht. Der Maskierte wies ihnen den Weg. Ohne Eile folgten sie ihm die schwach beleuchtete Rundtreppe zum oberen Stock hinauf. Überall sah man nun maskierte Bewaffnete. Sobald man stehen blieb, trat ein Diener aus einer dunklen Mauernische hervor und forderte die Gäste stumm auf weiterzugehen.
Im oberen Stockwerk hörte man leise Musik. John Law konnte sie nirgends zuordnen. Sie klang sakral, weihevoll und gleichzeitig unheimlich. Zwei Maskierte öffneten die Flügeltüren des oberen Saals. Ein großer Salon lag vor ihnen. Eine gewölbte Halle. Überall Menschen in schwarzen Sutanen mit hochgezogener Kapuze und Gesichtsmaske. In der Mitte des Raumes bewegten sich nackte junge Frauen zum Klang der Musik. Sie bewegten sich so langsam, als würden sie schweben. Sie trugen Masken aus Leopardenfell.
»Er ist hier. Irgendwo«, flüsterte Wilson. John Law drehte sich nach Wilson um.
»Der König?«,
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