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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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protokolliert. Es ist zu spät.«
    Richter Salthiel Lovell war ein Hüne, ein Berg von Fleisch, Fett und Speckwülsten. Er thronte wie ein Walross hinter dem um drei Stufen erhöhten Richterpult der King and Queen's Commission. Er hatte einen breiten Stiernacken, der den Eindruck verstärkte, er könne jederzeit den Kopf wie eine Schildkröte einziehen und in diesem Berg von Fleisch verschwinden lassen. Salthiel Lovell hasste die Menschen, und die Menschen hassten ihn. Drei Tage lang würde er nun hier wüten, drei Tage lang den Geschworenen die ratio decidendi erklären, ihnen um die Ohren schlagen, was für die Urteilsfindung relevant war und was nicht. Hier wurde schließlich nach geltendem Recht entschieden, nicht nach so genanntem gesundem Menschenverstand. Es ging um Recht und nicht um Gerechtigkeit. Siebenundzwanzig Fälle in drei Tagen warteten auf das Walross. Salthiel Lovell liebte seine Arbeit. Er brüstete sich damit, dass er die höchste Verurteilungsquote Londons vorweisen konnte. Wer vor ihm erschien, war schon so gut wie tot. Wer ihm in die Augen blickte, spürte bereits den Strick am Hals.
    Die ersten Angeklagten hatten sich des schweren Diebstahls schuldig gemacht, die nächsten hatten vergewaltigt, einige Münzen gefälscht oder gestutzt. Sie wurden von Salthiel Lovell nach kurzer Anhörung und Beratung der Geschworenen allesamt verurteilt. Die Urteile rührten indes weniger von der Schwere der Delikte her als vielmehr von dem Umstand, dass die Angeklagten nicht über die finanziellen Mittel verfügten, um die Geschworenen und Salthiel Lovell zu bestechen. Freisprüche waren käuflich. Das war ein ungeschriebenes Gesetz. Und deshalb war John Law sehr zuversichtlich, dass diese Posse bald beendet sein würde.
    John Law wurde in Ketten in den Gerichtssaal geführt. Die Vorführung in Ketten wurde vom Gesetz nicht vorgeschrieben. Es war das Gesetz von Salthiel Lovell.Vergebens hatte Lord Branbury beim Richter vorgesprochen, um John Law diese Erniedrigung zu ersparen. Aber Salthiel Lovell hatte Branbury nicht mal empfangen. In diesem Gerichtssaal war er der unangefochtene König und Herrscher. Hier demonstrierte er dem gesamten Londoner Adel, wer Herr im Hause war. Branbury hatte sogar Geld angeboten, um beim Richter vorsprechen zu dürfen. Er hatte es entgegennehmen lassen. Aber es hatte nichts genutzt. Vielleicht hatten die einflussreichen Familien des toten Edward Wilson einfach mehr geboten.
    Das Interesse an diesem Prozess war enorm. Man hätte das größte Theater Londons mieten können, und die Leute hätten dennoch nicht Platz gefunden. Der berühmteste Wüstling Londons war von einem schottischen Mathematiker und Kartenspieler im Duell getötet worden. In den Tavernen und Kaffeehäusern, in den Salons und selbst am Hofe des Königs kursierten die wildesten Gerüchte. In den vordersten Zuschauerreihen saß alles, was in London Rang und Namen hatte. Die noblen Kaffeehäuser, die Tavernen und Bierkneipen mussten an diesem Morgen wie leer gefegt gewesen sein.
    Als John sich umsah, erkannte er unter den Zuschauern die Frau, die ihm Glück brachte: Catherine. Sie saß in der vordersten Reihe. Links von ihr Lord Branbury. Daneben der Earl of Warriston, der für Schottland zuständige Minister im britischen Parlament, Laws größter Fürsprecher. Etwas weiter hinten Daniel Defoe, der noch nicht ahnen konnte, dass er in einigen Jahren vor dem gleichen Richter stehen würde. Hinter ihm saß der einundsechzigjährige Samuel Pepys, der nach der Veröffentlichung seiner »Memoirs of the Royal Navy« mehrfach inhaftiert worden und jetzt von Krankheit und Alter gezeichnet war. In den Salons erzählte man, Pepys hätte in jungen Jahren ein erotisches Tagebuch geschrieben, das aber erst nach seinem Tod veröffentlicht werden dürfe. Manch ein Literaturliebhaber wünschte sich klammheimlich Pepys Tod, um endlich in den Genuss dieser angeblich äußerst obszönen Texte gelangen zu können.
    Auch Betty Villiers war anwesend, Mary Astell, die scharfzüngige Schriftstellerin, Arnauld, der französische Mathematiker und Spieler. Ein anderes Gesicht kam John Law sehr bekannt vor. Aber er konnte es nicht richtig einordnen. Der Fremde hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem alten Mitschüler George, George Lockhart of Carnwath. John konnte nicht erkennen, ob der Mann ein verstümmeltes Ohr hatte. Aber wieso sollte ausgerechnet George Lockhart of Carnwath hier im Saal sein?
    Auf der anderen Seite des Mittelgangs die

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