Das Große Spiel
ich auch nie mehr nach Schottland zurückkönnen.«
»Aber ich könnte die Insel ebenfalls verlassen«, sagte Catherine leise und begann stumm zu weinen, »ich würde nach Paris gehen, John, und eines Abends, in einem Salon, würden wir uns wieder begegnen.«
»Meinem Vater hat Paris kein Glück gebracht. Er ist dort bei einer Steinoperation gestorben. Er liegt im schottischen Kolleg in Paris begraben. Er hat mir einen Spazierstock hinterlassen. Diesen Stock werde ich zurückholen.«
»Mein Mann ist in Paris, John. Als König James aus England vertrieben wurde, ist mein Mann ihm gefolgt. Die katholischen Stuarts wollen sich in Paris neu formieren ...«
»Catherine, ich würde nie einem König folgen. Nur Ihnen ...«
»Fliehen Sie nach Paris, John. Besuchen Sie das Grab Ihres Vaters!«
»Nein, Catherine. Ich werde vor dem Obergericht erscheinen. Ich bin noch nie weggelaufen.«
Und so stand John Law of Lauriston am 23. Juni 1694 erneut vor dem Richter. Der Appellationsrichter John Holt war ein freundlicher Mann. Er ließ John Law ohne Handfesseln vorführen. Die gegnerische Seite unterstrich nochmals die niederen Motive, die der Tat des Angeklagten zugrunde lägen. In glühenden Farben wurde erneut die Geschichte eines brutalen Mordes erzählt; die Geschichte von einem arglistigen Schotten, der für Geld tötet und sich nach der Tat auf feige Art der Verantwortung entzieht und tagelang gejagt werden muss, bis man ihn endlich zur Rechenschaft ziehen kann. John Law wurde als skrupelloser Hasardeur vorgeführt, der von Spieltisch zu Spieltisch zieht, von Frauenzimmer zu Frauenzimmer, von Duell zu Duell.
John Laws Chancen, jemals Gerechtigkeit zu erfahren, wurden immer geringer. Sein Anwalt griff zu einem letzten Strohhalm:Verfahrensmängel. Die ermittelnde Behörde hatte es unterlassen, den genauen Zeitpunkt und Ort des Verbrechens festzuhalten. Richter John Holt hielt dieses Detail für so bedeutend, dass er am Ende des Tages entschied, sich zu Beratungen zurückzuziehen und die Verhandlung erst nach dem Sommer weiterzuführen. In der Zwischenzeit sollte John Law erneut im King's-Bench-Gefängnis untergebracht werden.
»John«, flehte ihn der Earl of Warriston an. Er war unmittelbar nach der Verhandlung nach Southwark geeilt. »John, wir haben viel Geld bezahlt, damit Sie in diesem Gefängnis untergebracht werden. Es ist das am schlechtesten gesicherte Gefängnis von ganz London. Ich habe mit dem König gesprochen. Er wird Sie nicht begnadigen können, gewisse Verpflichtungen der Familie Wilson gegenüber machen ihm das unmöglich. Aber er wird ein Auge zudrücken, wenn sie fliehen. Also fliehen Sie um Gottes willen. Ihre Verlegung nach King's Bench ist eine ultimative Aufforderung zur Flucht! Wenn der König Ja sagt zu King's Bench, sagt er Ja zu Ihrer Flucht.«
John Law schaute den Grafen nachdenklich an und sagte nach einer Weile: »Ich verstehe etwas von Zahlen, ich kann mich sogar erfolgreich duellieren, aber wie soll ich aus diesem Gefängnis entkommen? Ich fürchte, das Ganze ist erneut eine Falle. Man wird mich auf der Flucht niederstechen.«
Der Graf warf die Hände in die Luft: »John, soll ich jemanden vorbeischicken, der Ihnen mit einer Fackel den Weg leuchtet? Um Gottes willen: Fliehen Sie! Noch diese Nacht! Lord Branbury wird Sie mit einer Kutsche erwarten. Fahren Sie zum Fluss. Zum Dock vierundzwanzig. Links von der Brücke liegt ein Schiff mit französischer Flagge. Es ist das Postschiff aus Paris. Der Kapitän ist informiert. Er hat bereits Geld erhalten. Gehen Sie auf das Schiff. Versuchen Sie auf keinen Fall, nach Schottland zu gelangen. Dort wird man Sie zuallererst suchen.«
John Law musste innerlich lachen, als ihm bewusst wurde, dass er sich offenbar in seiner Todeszelle sicherer fühlte als auf der Flucht.
»Ich muss jetzt gehen«, unterbrach der Graf seine Gedanken. »Viel Glück.« Und damit war er verschwunden.
Lord Branbury schaute ungeduldig zum Nachthimmel empor. Er verstand nicht, dass ein derart begnadeter Mann wie John Law offenbar nicht in der Lage war, das am schlechtesten gesicherte Gefängnis der Stadt zu verlassen.
»Der Morgen graut. Ich fürchte, der gute Schotte wird am Galgen enden.« Lord Branbury schaute kopfschüttelnd zu Catherine hinüber, die wie versteinert vor Kälte und Anspannung in der Kutsche saß.
John klopfte sanft die Bodenplatten ab, um eventuelle Hohlräume zu entdecken. Ihm schien, die dumpfen Geräusche klangen alle gleich. Systematisch
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