Das Große Spiel
Sie griff nach einer Vase auf der Kommode und zertrümmerte das edle Stück auf dem Kopf des Fremden, der bereits stöhnend die Hände gegen seinen Unterleib presste. Er stürzte zu Boden und blieb liegen. Catherine griff nach einer weiteren Vase. Da begann der Fremde plötzlich zu lachen. Während er sich mit dem einen Arm gegen weitere Angriffe schützte, hatte er mit der anderen Hand das entwendete Schriftstück entfaltet: »Vierhundert Pfund.«
Catherine Knollys hielt die neue Vase mit beiden Händen über ihrem Kopf. Sie war bereit, erneut zuzuschlagen: »Geben Sie das Schriftstück her!«
Der Fremde sprang lachend zur Seite und suchte Schutz hinter dem Tisch: »Madam, damit werden Sie dem König beweisen können, dass John Law nicht aus niedrigen Motiven gehandelt hat...«
Catherine zögerte. Sie begriff nicht ganz, auf welcher Seite der Fremde stand. Gedankenverloren wollte sie die Vase auf die Kommode zurückstellen. In ihrer Aufregung ließ sie die Vase zu schnell los. Sie zerschellte am Boden.
Nun brach der Fremde erneut in schallendes Gelächter aus. Er kam hinter dem Tisch hervor und setzt sich etwas schwerfällig an den großen Tisch im Salon: »Dieses Papier kann beweisen, dass John Law genug Geld hatte. Dass er sich somit nicht aus niedrigen Beweggründen duelliert hat. Wenn der König das liest, lässt er seinen Widerstand gegen Laws Begnadigung fallen.«
»Was wollen Sie dafür?«
»Wilsons Verwandte würden bestimmt ein Vermögen dafür bezahlen. Damit ich es verbrenne.«
»Nennen Sie Ihren Preis!«
»Lieben Sie John Law?«
»Ich bin verheiratet, Monsieur.«
»Die verheirateten Frauen mag er besonders, unser geiler Schotte. John Law liebt das Verbotene, die Gefahr, das Risiko, die Chance zu scheitern. John Law ist ein Spieler, Madam. Sie lieben einen Spieler. Er wird Ihnen das Herz brechen.«
Mit einer eleganten Handbewegung warf er Catherine Knollys das Schriftstück zu. »Eilen Sie zum König, meine Teuerste. Es wäre schade, wenn John Law gehängt würde.«
Catherine fing das Schriftstück auf und starrte den Fremden ungläubig an: »Sind Sie ein Freund von John Law?«
»Ich will eine Revanche. Wenn John Law am Galgen baumelt, kann er mir keine Revanche bieten.«
»Sie wollen gegen John Law spielen?«
»Spielen?«, lachte der Fremde. »Was sind das für Spiele, bei denen man sein Ohr verliert? Sagen Sie John, dass ich ihn erwarte.«
»Wer sind Sie?«
»John sagte mir einst, ein Mann müsse wissen, wann er besiegt ist. Ich weiß nur, dass ich noch nicht besiegt bin. Sagen Sie das Ihrem John Law. Falls er jemals die Gefängnismauern lebend verlassen sollte, ich werde draußen stehen und auf ihn warten.«
Eines Abends, die Dunkelheit war bereits angebrochen, erschien Catherine Knollys in John Laws Zelle. Sie hatte ein kleines Vermögen geopfert, um zu dieser späten Stunde noch zu ihm vorgelassen zu werden. Sie betrat die Zelle, wartete, bis der Wächter die Tür wieder geschlossen hatte. John saß an seinem Schreibtisch. Er hatte im Schein einer flackernden Kerze einige Seiten beschrieben. Catherine trat zu ihm und setzte sich auf einen Schemel. Nun saßen sie sich gegenüber und liebkosten sich mit stummen Blicken.
»Schreiben Sie Ihr Testament?«, fragte sie nach einer Weile.
John schüttelte den Kopf. »Wieso? Der König braucht mich. Die zirkulierende Geldmenge sollte nämlich nicht nur das Äquivalent aller bereits produzierten Güter sein, sondern auch das Äquivalent aller projektierten Güter. Ich habe diesem Aspekt bisher zu wenig Beachtung geschenkt. Ich könnte das Geld des Königs verzehnfachen, verhundertfachen.«
»Aber dazu müssten Sie am Leben bleiben, Sir, und der König will Sie hängen sehen. Verstehen Sie das doch endlich! Sie müssen fliehen!« Catherine ergriff Johns Hände und hielt sie fest, als wollte sie ihn daran hindern, andere Dinge zu tun.
»Der König hat mir eine Gnadenfrist gewährt, Madam. Nach dem Vermögensnachweis glaubt er nun auch nicht mehr an niedrige Beweggründe.«
»Beau Wilsons Bruder Robert hat dagegen heute Morgen Berufung eingelegt. Einspruch wegen Mordes. Wenn das Appellationsgericht Ihnen nicht Recht gibt, kann selbst der König Ihren Tod nicht mehr verhindern! Sie müssen fliehen, John. Fliehen!«
»Wenn ich fliehe«, sagte John Law nachdenklich, »würde ich Sie nie mehr sehen. Ich würde wegen Mordes gesucht und könnte nie mehr auf die Insel zurück. Und wenn Schottland sich der britischen Krone anschließt, werde
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