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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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wie d'Argenson und Sir George sich die Hände reichten.
     
    D'Argenson starrte auf ein Fenster im zweiten Stockwerk. Er glaubte die Konturen von zwei Menschen zu erkennen. »Der Pöbel treibt es nun sogar in den Treppenfluren«, bemerkte Sir George abschätzig. D'Argensons Blick wich nicht von der Stelle: »Unter der Dienerschaft ist mir niemand von solch hohem Wuchs aufgefallen, Sir George. Wie viel haben Sie heute Nacht verloren?«
    »Viel zu viel.«
    »Ich kann Ihnen das Geld nicht zurückgeben, aber ich kann dafür sorgen, dass Sie nicht noch mehr verlieren.«
     
    La Duclos riss den Kopf des Schotten zu sich herunter und küsste John inbrünstig auf den Mund: »Ihr neuer Anzug hat meine Gäste entzückt. Diese Menschen haben gedacht, dass die Kleidermode unseres sterbenden Königs ewig währen wird. Sie dachten, dass wir alle nackt herumlaufen müssen, wenn diese Mode eines Tages verschwinden würde. Sie haben heute bewiesen, dass es nicht wahr ist. Es kommt etwas Neues. Sie haben heute Abend gesagt: Wenn etwas stirbt, kommt etwas Neues. Und alle im Salon dachten: Dieser Schotte hat Recht. Selbst wenn der König stirbt, stirbt nicht Frankreich, sondern nur der König.«
    »Die Leute hören zu, aber sie begreifen es nicht. Wenn ich Glück habe, wird mir der König zuhören. Wird er aber auch begreifen, dass Geld ein Tauschmittel ist und keinen Wert für sich hat und deshalb nicht an seinem Metallgehalt gemessen werden darf?«
    »Sie tun mir Unrecht, Monsieur Law«, sagte eine Stimme aus der Dunkelheit. La Duclos schrie vor Schreck auf, glitt von der Fensterbank und raffte ihre Kleider zusammen. Die Tür eines Salons wurde aufgestoßen. Das züngelnde Licht von Fackeln drang in den Treppenflur hinaus. Vor ihnen stand der Due d'Orleans, ein purpurroter Mantel hing über seinen Schultern - darunter war der Herzog nackt. Hinter ihm kicherten einige junge, ebenfalls nur spärlich bekleidete Damen. »Endlich ein intelligenter Mann in Paris. Gesellen Sie sich bitte zu uns und erläutern Sie mir Ihre Theorien etwas genauer. Wenn Sie mit Ihrer wundersamen Geldvermehrung die Staatsschulden halbieren könnten, würde das vielleicht sogar mein Onkel gutheißen. Gutheißen, nicht verstehen. Unser Sonnenkönig ist von so vielen Beratern umgeben, dass er längst im Dunkeln sitzt.«
    John Law und La Duclos kleideten sich notdürftig an und folgten dem Due d'Orleans in einen abgedunkelten Salon. John Law setzte sich neben den Herzog auf ein weiches Sofa und betrachtete die nackten Leiber, die sich im dämmrigen Licht lautlos auf kostbaren Gobelins räkelten, die den Boden bedeckten. Der süßliche Geruch von orientalischen Räucherstäbchen lag in der Luft. Am anderen Ende des Salons spielte ein Mädchen Cembalo. Andere junge Mädchen lagen ihr zu Füßen und saugten an den Mundstücken türkischer Wasserpfeifen. Sie verdrehten dabei die Augen, als seien sie von Dämonen befallen.
    »Sie müssen mir mehr erzählen, Monsieur Law«, sagte der Herzog nach einer Weile. »Wer die Spieltische dominiert, kann womöglich auch die Staatsfinanzen in den Griff bekommen. Letztendlich basiert beides auf einer mathematischen Formel. Auf einem Algorithmus. Nehmen Sie kein Blatt vor den Mund. Wenn Ihre Theorien mich überzeugen, werde ich Ihnen nicht einen Spieltisch offerieren, um die Richtigkeit zu beweisen, sondern eine ganze Nation. Sie werden nicht mit Jetons spielen, sondern mit Millionen von Menschen.«
    Der Herzog nahm einen Krug voll Wein und trank einen Schluck. Dann reichte er ihn an John Law weiter. Der setzte an und trank ihn in wenigen Zügen leer.
    »Kommen Sie«, sagte der Herzog lachend und sprang auf. John Law folgte ihm durch den abgedunkelten Salon, entlang an schweren Vorhängen, vorbei an nackten Leibern, die sich in wirren Träumen verloren zu haben schienen. Immer wieder berührten ihn Hände, wollten ihn halten. Doch der Herzog zog ihn leise lachend weiter, bis sie zu einem Tisch kamen, auf dem sich eine große Truhe befand. In der Truhe tummelten sich kleine Feldmäuse. Ein junger Mann mit nacktem Oberkörper und engen roten Beinkleidern machte sich an einem Glaszylinder zu schaffen. Der Zylinder trieb ein Schwungrad an. Neugierig beobachteten halb nackte Mädchen das Experiment.
    »Das ist das elektrische Feuer«, flüsterte der Herzog geheimnisvoll und musterte John. »Elektrizität durch Reibung.« Nun nahm der junge Mann in den engen Beinkleidern zwei Drähte und berührte damit eine Maus. Das kleine Tier wurde an

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