Das Große Spiel
töten. Sollte er hingegen mich töten, was sehr unwahrscheinlich ist, steht es Ihnen frei, ihn erneut zum Duell aufzufordern.«
»Captain Wightman, ich betrachte diese Äußerungen als Affront«, sagte Lockhart of Carnwath mit fester, lauter Stimme.
Catherine wandte sich belustigt Captain Wightman zu: »Er meint, Sie hätten ihn beleidigt. Meine Herren - während Sie sich hier draußen duellieren, werde ich mir in der Kapitänskajüte einen heißen Tee servieren lassen. Brauchen Sie noch Sekundanten?«
Catherine löste sich von der Reling und begab sich zu den breiten Holztreppen, die zu den Kajüten hinunterführten. Zurück blieben zwei Männer, angespannt und aggressiv lauernd wie zwei beißwütige Rüden, die ihr Revier verteidigen.
»Meine Damen und Herren, ich habe die große Ehre, Ihnen heute Abend einen Mann vorzustellen, dem der Ruf vorauseilt, einer der Besten an den Spieltischen Europas zu sein. Monsieur John Law of Lauriston.«
Zwei Pagen zogen die schweren purpurroten Veloursvorhänge zurück. Ein Mann betrat den prunkvollen Salon von La Duclos, eine Erscheinung wie die eines Königs aus einer neuen Welt. Mit seinen Einmeterneunzig überragte John Law alle anwesenden Herzöge, Marquis, Comtes, Schauspieler, Gelehrten, Wissenschaftler, weit gereisten Beaus und Hasardeure. In seinem weiten, in dezenten Pastelltönen kolorierten Samtrock mit weißen Schößen rauschte er herein wie eine Naturgewalt. Die Ärmel waren ungewöhnlich breit und mit auffallend großen Aufschlägen versehen, die Rockschöße weit. Zielstrebig ging John Law auf den mittleren Spieltisch zu. Souverän und galant erwiderte er die anerkennenden Blicke. Alles an diesem groß gewachsenen Fremden mit der exklusiven Halsbinde wirkte echt, seine Ruhe war nicht gespielt, seine Galanterie nicht erzwungen. Kein Vergleich mit dem egozentrischen, klein gewachsenen Sonnenkönig auf seinen hohen Absätzen. Dieser John Law füllte mit seiner Präsenz den gesamten Salon und zog die Anwesenden unwiderstehlich in seinen Bann, bevor er auch nur ein einziges Wort gesprochen oder eine einzige Karte verteilt hatte.
Der Marquis d'Argenson stand neben dem mittleren Spieltisch und forderte Sir George mit einem Nicken auf, sich gleich für eine Partie zu empfehlen. »Er trägt Baumwolle«, flüsterte d'Argenson, »obwohl der König darauf ein Importverbot erlassen hat.«
Sir George pflichtete d'Argenson mit bitterer Miene bei: »Es ist ein Affront, eine gezielte Provokation. Will er damit andeuten, dass Frankreich seinen Herrschaftsanspruch in der Welt verloren hat?«
»Offenbar hält er die Kleiderordnung unseres Königs für veraltet«, lächelte d'Argenson.
»Wenigstens trägt er noch eine Allongeperücke«, lächelte Sir George, als er sich an den Tisch setzte.
»Die wird er mit beiden Händen festhalten müssen, weil ihm bald eine eisige Brise ins Gesicht blasen wird.«
John Laws neuer Dreiteiler war in der Tat ein Bruch mit allen Gepflogenheiten. Doch mancher, der sich tuschelnd darüber schockiert zeigte, empfand insgeheim eine gewisse Freude, dass die starre Ordnung des absolutistischen Sonnenkönigs weiter bröckelte. John Laws Auftritt ließ erahnen, wie brüchig die Schale der Pariser Gesellschaft bereits geworden war und wie alle Dämme auf einmal brechen würden, wenn erst einmal die Kunde vom Tod des alternden Sonnenkönigs verkündet würde.
John Law hatte von La Duclos das Privileg erhalten, die Bank zu führen. Gegen ihn spielten Sir George und zwei Adlige, deren Namen John Law nicht vertraut waren. D'Argenson hatte sich entschieden, den Tisch wie ein Löwe zu belauern. Er versuchte, den Schotten dadurch zu irritieren. Er blieb permanent in Bewegung. Manchmal stand er seitlich von John Law, manchmal hinter Sir George und fixierte die breiten Ärmelaufschläge von Laws neumodischem Mantel. Er versuchte, omnipräsent zu sein und John Law einzuschüchtern. Im Gegensatz zum starren und hautengen Kleidungsstil der Gäste ließen die weit ausgeschnittenen und bequemen Kleidungsteile, die sich John Law hatte schneidern lassen, seinen ohnehin hohen Körperwuchs noch größer und imposanter erscheinen. Gepaart mit der beispiellosen Ruhe, die der Schotte ausstrahlte, erweckte er den Eindruck, mehr vom Leben und seinen Gesetzmäßigkeiten zu verstehen. Die Ruhe des Schotten war beispiellos. Seine Worte waren überlegt, wohl durchdacht und exzellent formuliert, als würde er sie aus einem Buch zitieren.
Man konnte den Schotten mögen
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