Das Große Spiel
oder auch nicht. Er hinterließ auf alle, die ihm jemals begegnet sind, einen bleibenden Eindruck. Schon nach wenigen Spielen verwickelte ein Gast den Schotten in ein Gespräch über den Nutzen der neu gegründeten Nationalbank in London. Während John Law konzentriert dem Kartenspiel seiner Gegner folgte, erläuterte er die Schwächen dieser halbherzigen Banksysteme und plädierte wie nebenbei für die Einführung von Papiergeld zur Überwindung der Metallknappheit. Kaum einer im Salon konnte John Laws Ausführungen folgen. Man verstand wohl die Worte, aber weder den Sinn noch den Nutzen für Frankreich.
D'Argenson hingegen verstand nur zu genau, worum es dem Schotten ging. Und es gab noch einen weiteren Mann, der aufmerksam den Ausführungen folgte. Er war etwa im selben Alter wie John Law, und John bemerkte rasch, dass das weibliche Geschlecht diesem äußerst attraktiven jungen Mann sehr zugetan war. Als sich ihre Blicke trafen, huschte ein Lächeln gegenseitiger Anerkennung und Sympathie über ihre Gesichter. Sie wussten auf Anhieb, dass sie einander mochten und verstanden. Ein Blick hatte genügt, um sich gegenseitig mitzuteilen, dass sie die Frauen liebten, den Wein, die Welt der Schönen und Mächtigen und die Salons, in denen gespielt wurde und alle aufregenden neuen Gedanken ausgetauscht wurden.
Der junge Mann lächelte: »Möchte uns Monsieur Law of Lauriston nicht verraten, wo seiner Meinung nach die Gründe für die desolate wirtschaftliche Lage unserer Nation liegen?«
John Law war sofort klar, dass der junge Mann besonderen Schutz am Hofe des Königs genießen musste. Anders war nicht erklärbar, dass er öffentlich die Situation Frankreichs desolat nennen durfte.
»Wäre ich Finanzminister, würde ich auf die zahlreichen Kriege verweisen: zwanzig Jahre Krieg, ein stehendes Heer mit über zweihunderttausend Soldaten, die übertriebene Bautätigkeit ...« Ein Raunen ging durch den Raum, während John die Karten verteilte, auf die Einsätze der Mitspieler wartete und ungerührt weitersprach: »... die Emigration von einer halben Million Hugenotten ...«
Die Stimmen des Unmuts wurden lauter. D'Argenson, der ohnehin wütend war, dass er den Schotten nicht beim Falschspielen ertappen konnte, schnitt ihm das Wort ab: »Ich glaube nicht, dass ein protestantischer Schotte Frankreich irgendwelche Ratschläge erteilen sollte.«
»Ich wurde ausdrücklich darum gebeten, Monsieur«, lächelte Law und zeigte mit einer galanten Geste auf den jungen Mann.
»Der Due d'Orleans beliebt zu scherzen, Monsieur Law«, entgegnete d'Argenson.
»Ich auch«, entgegnete John Law und erntete freundliches Gelächter. John Law nickte dem Herzog anerkennend und wohlwollend zu und sammelte mit einer diskreten Handbewegung die Goldmünzen ein, die Sir George soeben verloren hatte.
»Der Due d'Orleans ist der Neffe des Königs, Monsieur Law«, murmelte Sir George mit einer unüberhörbaren Schadenfreude. John Law wandte sich erneut an den Herzog und sprach ihm mit einer erneuten Verbeugung seinen Respekt aus.
»Keine Angst, Monsieur Law, ich werde dem König nicht davon berichten«, lächelte der Due d'Orleans.
»Ich wäre froh, Sie täten es. Ich bin nach Paris gekommen, um dem König meine Pläne zur Sanierung der französischen Staatsfinanzen zu unterbreiten.«
D'Argensons Blicke verfinsterten sich nur noch mehr. John Law entging nicht, wie es in d'Argenson brodelte. Freundlich wandte er sich dem Marquis zu und sagte: »Monsieur, ob jemand befugt ist, einen monetären Ratschlag zu erteilen, ist nicht eine Frage der Nationalität, sondern des Sachverstandes.«
D'Argenson wandte sich an La Duclos und flüsterte: »Ein Genie mit Ambitionen, Madam.«
La Duclos hatte sich blitzschnell entkleidet und auf die breite Fensterbank gesetzt. Nun zog sie John Law stürmisch zu sich heran, kniff ihn in die Taille, zerkratze ihm das Gesäß und stöhnte so hemmungslos, dass wahrscheinlich bereits die gesamte Dienerschaft hinter den Türen lauschte.
Während John Law ihren Hals liebkoste, sah er die Lichter unten im Hof. Er sah eine Kutsche. Zwei Männer stiegen aus. Sir George und d'Argenson. »Nehmen Sie sich in Acht vor d'Argenson«, stöhnte La Duclos.
»Das ist der Mann mit dem Schimpansengesicht?«, keuchte John Law.
»Ja«, schrie La Duclos und rang nach Atem, »er ist der oberste Polizeipräfekt von Paris.«
Während John die zierliche Schauspielerin mit kraftvollen Stößen zu immer lauteren Schreien antrieb, sah er,
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