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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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John ging um das Hospiz herum. Dahinter lag ein großer Hof mit zahlreichen mannshohen Verschlagen. Sofort begannen die Hunde wild zu bellen. In der Mitte des Hofes arbeitete Bruder Antonius an einer merkwürdigen Apparatur. Es war ein über zwei Meter hohes Laufrad mit einer Achse, die mit einem großen Grillspieß verbunden war. Der Spieß ruhte auf einem Dreifuß.
    »Sie erfinden doch nicht etwa das Rad, Bruder Antonius«, scherzte John Law, als er staunend vor dem Gerät stand. Er hatte sich allmählich an die beißende Kälte gewöhnt. »Ist das nicht etwas groß für eine Maus?«
    »Für eine Maus?«, fragte Bruder Antonius.
    »In den Pariser Salons amüsieren sich die Leute mit solchen Rädern. Aber sie sind viel kleiner. Und sie lassen darin Mäuse rennen. Dann dreht sich das Rad.«
    »Und dann?«
    »Dann lachen die Leute.«
    Antonius nickte. Die Genugtuung stand ihm ins Gesicht geschrieben: »Ich nehme keine Mäuse, sondern Hunde.«
    »Diese Kolosse?«
    »Ganz recht. Um ein solches Rad anzutreiben, muss man schon eine gewisse Masse mitbringen.«
    »Und wozu soll das Ganze gut sein?«
    Antonius strahlte bis über beide Ohren: »Mit dem Rad wird der Spieß gedreht, und wenn man auf dem Spieß ein Ferkel aufspießt und unter dem Ferkel ein Feuer entfacht, dann spart man mindestens eine Küchenhilfe.«
    John Law musste lächeln: »Wir leben in einer wundervollen Zeit, Bruder Antonius. Mir scheint, als sei die ganze Welt aufgebrochen, um neue Horizonte zu erforschen. Die einen segeln mit ihren Schiffen um die Welt, andere erkunden im Geiste die Welt, und jeder trägt etwas zum Ganzen bei.«
    Der Augustinerchorherr genoss die Anerkennung, die ihm eben zuteil geworden war: »Jeden Sommer bewirten wir über vierhundert Pilger. Jedes Jahr bekommt man den Eindruck, als hätten die Menschen in den vergangenen Monaten mehr entdeckt und mehr erfunden als in den Jahrhunderten zuvor. Plötzlich sind es nicht nur Fürsten und Gelehrte, die über Pflanzen, Mineralien,Vernunft und Geist debattieren, sondern gewöhnliche Menschen aus allen Handwerksgattungen und aller Herren Länder.« Bruder Antonius wurde nachdenklich und sah zu Boden. Dann sagte er: »Die Menschen sind hungrig nach neuem Wissen. Doch ich fürchte, dieser Hunger wird nie ganz zu stillen sein. Je mehr die Menschen wissen, desto hungriger werden sie.«
    »Der Mensch will alles wissen. Alles. Und wenn wir beide sterben, Bruder Antonius, wird die Welt deswegen nicht ruhen. Alles, was denkbar ist, wird versucht. Und alles, was versucht wird, gelingt eines Tages. Niemand kann es aufhalten. Man kann ein Tier aufhalten, aber nicht den Menschen. Der Mensch ist unersättlich. Schauen Sie Ihr Werk an, Bruder Antonius. Niemand hat Sie dazu gedrängt, dieses Laufrad zu konstruieren. Sie haben es dennoch getan. Und vollbracht. Andere werden zu den Sternen steigen oder auf dem Meeresboden Städte bauen.«
    »Und Gott?«
    »Vielleicht wird der Mensch eines Tages Gott vom Himmel hinunterstürzen, wie wir die Statue des Jupiters vom römischen Altar gestoßen haben.Vielleicht wird es neue Götter geben.«
    »Bankiers. Falls es eines Tages neue Götter gibt, dann werden es Bankiers sein. Davon bin ich überzeugt. Aber bis es so weit ist, John Law, sollten Sie Gott danken, dass er Sie unversehrt auf den Pass gebracht hat. Kommen Sie, ich führe Sie in unsere Krypta. Der Heilige Geist soll Sie wieder zur Vernunft bringen«, lächelte der Augustinerchorherr.
    Antonius legte sein Werkzeug beiseite. Gemeinsam gingen sie durch den milchig grauen Nebel, der sich über den Pass gelegt hatte, und überquerten die kleine Straße, die das Hospiz von der Kirche trennte. Zwei Öllaternen hingen links und rechts vom Eingangsportal.
    Antonius führte John Law in die Klosterkirche. Sie konnte noch nicht alt sein. Im Schein der Öllaterne sah er die im Türsturz eingemeißelte Jahreszahl: MDCLXXXIX.
    Antonius öffnete die Tür und bat John Law einzutreten. Ein Dutzend Ordensbrüder kniete zum Gebet. Ein Pater stand mit erhobenen Armen vor dem Altar und sprach die Worte der Liturgie. Im Seitenschiff befanden sich vier weitere Altäre. Der Ordensbruder forderte John Law mit einer diskreten Geste auf, ihm in die unterirdische Krypta zu folgen, während er flüsternd erläuterte: »Der Hochaltar ist der Jungfrau Maria gewidmet, die kleineren Altäre dem heiligen Augustus, dem heiligen Bernhard, dem heiligen Joseph und der Mutter Gottes von Jasna Göra.«
    John Law nickte und folgte Bruder Antonius

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