Das Große Spiel
Mann erschlägt?«
Als John hochschaute, krachte Williams Faust mit voller Wucht in sein Gesicht. John ging zu Boden. William kam wütend auf ihn zu. Er wollte ihn treten. John ergriff blitzschnell das Bein seines Bruders, sprang auf und riss es hoch. William stürzte rückwärts zu Boden und prallte mit dem Hinterkopf aufs Pflaster.
»Steh auf, William«, rief John.
William fasste sich an den Hinterkopf. Dann befühlt er seine Nase. Sie blutete. Wütend rappelte er sich auf und stürzte sich auf John. Wie ein Besessener schlug er auf ihn ein. John parierte die ersten Schläge und schlug mit großer Wucht zurück. Der Schlagabtausch wurde immer wilder, bis sich schließlich bei beiden erste Anzeichen von Erschöpfung breit machten. Dann standen sie sich gegenüber, keuchend, abwartend.
»Es ist - noch nicht vorbei, John«, stöhnte William. Er ballte erneut die Fäuste.
»Der Letzte, der mir das gesagt hat, ist daran gestorben, William«, seufzte John und verpasste seinem Bruder eine schallende Ohrfeige. In Williams Kopf dröhnte es, als hätte jemand einen mächtigen Gong geschlagen. Das Geräusch wollte nicht mehr abklingen. »In Anwesenheit von Madam werden wir uns nie mehr streiten, hast du mich verstanden?«
William sah nur die Lippenbewegungen. Er verstand kein Wort. Im nächsten Moment schlug er wieder auf seinen Bruder ein. Doch John parierte die Faustschläge geschickt, rammte William das Knie in den Unterleib und wuchtete ihm, gerade als er vor Schmerzen in die Hocke ging, den Ellbogen ins Gesicht. William sank auf die Knie.
»Madam wünscht sich, dass der Zwist zwischen uns beendet wird. Er ist hiermit beendet,William. Wir werden uns beide daran halten.«
William erhob sich langsam. Plötzlich hielt er ein Messer in der Hand. John Law wich nicht von der Stelle.
»Wofür willst du dich eigentlich rächen. William? Dafür, dass ich besser bin als du? Stärker? Erfolgreicher? Bedeutender?«
William beugte sich vor und begann, langsam um John herumzugehen. John rührte sich nicht von der Stelle, machte keinerlei Anstalten, sich verteidigen zu wollen. Demonstrativ verschränkte er die Arme.
»Du kannst mich töten, William, vielleicht, und dann? Selbst wenn ich tot bin, werde ich besser gewesen sein, als du es zu meinen Lebzeiten jemals gewesen bist. Wozu willst du mich also töten, William? Willst du dein Leben damit verbringen, mich zu hassen? Und dabei dein eigenes Leben vergessen? Du musst deinen Hass töten, William, deinen Neid. Und dich auf dein eigenes Leben konzentrieren.«
William blieb stehen. Ein leichtes Flattern legte sich über sein Gesicht. Erneut wischte er sich das Blut von der Nase.
»Die Welt ist groß, William. Es gibt Platz genug für uns beide. Ich habe nicht die Absicht, in Lauriston Castle zu bleiben. In Edinburgh riecht man noch den Rauch der letzten Hexenverbrennungen. Doch weiter im Süden entsteht die Welt von morgen. Wir befreien uns von unseren Fesseln und lassen Gott und die Könige aussterben. Wir ersetzen Gott durch Wissen. Wir ersetzen die Könige durch Parlamente. Und in den Parlamenten ergänzen wir den Landadel mit Händlern, Bankiers und Handwerkern. In dieser neuen Welt hat jeder eine echte Chance, William. Es gibt so vieles zu entdecken: neue Kontinente, Länder, Rohstoffe, Kulturen, neuartige Erfindungen, neue Theorien, Modelle, Ideen. Wieso vergeudest du also deine Zeit damit, mich zu hassen?«
William schwieg. Nach einer Weile sagte er: »Ich hatte genügend Zeit, dich hassen zu lernen. Ich war da, als unsere Zwillinge starben. Ich war da, als Madams Herz in Stücke brach, und ich bin stets an ihrer Seite, wenn sie weint und sich sorgt. Ich wünschte mir oft, man hätte dich in London gehenkt. Damit Madam endlich Ruhe findet. Und jetzt stehst du wieder da, und Madam liegt dir zu Füßen.«
John schwieg. Er hatte die Angelegenheit noch nie von dieser Seite aus betrachtet. »Was du hier tust, William, soll nicht zu deinem Nachteil sein. Bald stirbt in Paris der Sonnenkönig. Man wird meine Dienste in Anspruch nehmen. Und wenn Madam eines Tages nicht mehr ist, werde ich dich rufen. Ich werde dir eine Stellung verschaffen, die alles vergessen macht, was jemals zwischen uns gewesen ist.«
John Law drehte William den Rücken und ging langsam zum Haus zurück. William warf sein Messer in die Höhe, ergriff es beim Hinunterfallen an der Klinge und warf es mit voller Wucht über den Hof. Im Stamm einer Eiche blieb es stecken.
»Du solltest etwas netter zu dir
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