Das große Zeitabenteuer
vor Gericht«, befahl der König laut. »Er wird als Hexer angeklagt.«
»Auch recht«, murmelte O'Leary. »Vielleicht ist es ganz amüsant. Gehen Sie voraus, guter Mann!« Er gab dem stier nackigen Unteroffizier einen Wink, als die Soldaten ihn in die Mitte nahmen.
Fünf Minuten später erreichten sie den Thronsaal, in dem das Verhör stattfinden sollte. Einige Dutzend Höflinge – Kavaliere in farbenprächtigen Anzügen und Hofdamen in Reifröcken – betrachteten O'Leary neugierig, als er unter strenger Bewachung hereingeführt wurde. Lafayette sah sich ebenfalls neugierig um, denn der ganze Saal erinnerte ihn an das Opernhaus von Colby. Dann bliesen einige Fanfarenbläser eine mißtönende Fanfare, und König Goruble I. erschien an der Rückwand des Saals, wo auch sein Thron auf einem Podest stand. Die Herren verbeugten sich; die Damen machten einen Hofknicks. Lafayette bekam einen Tritt ans Schienbein.
»Verbeug dich, Trottel!« zischte ein bärtiger Fremder in erbsengrüner Hose.
Lafayette rieb sich die schmerzende Stelle. »Möchtest du einen Kinnhaken?«
»Schweig! Soll ich dir die Nase am Boden reiben?«
»Und welche anderen sechs Kerle helfen dir dabei?« wollte O'Leary wissen. »Ich bin übrigens wegen Zauberei angeklagt«, fügte er grinsend hinzu.
»Ha?« Der Mann entfernte sich hastig. Inzwischen hatte der König seinen Platz eingenommen, und die Höflinge standen nach Rang und Würden abgestuft in seiner Nähe. Wieder Fanfaren, dann trat ein Greis in langer schwarzer Robe vor und stieß seinen schweren Stab auf.
»Der Gerichtshof Seiner Majestät beginnt seine Sitzung«, verkündete er mit zittriger Stimme. »Wer gegen die Gesetze des Reiches verstoßen hat, soll jetzt vorgeführt werden.«
»Das bist du, Kumpel«, murmelte einer der Wächter. O'Leary nickte und ließ sich vor den König führen, der auf dem Thron saß und kandierte Früchte knabberte.
»Nun, was bist du, Bursche – schuldig oder nicht schuldig?«
»Keine Ahnung«, erwiderte O'Leary. »Wie lautet die Anklage überhaupt?«
»Zauberei! Schuldig oder nicht schuldig?«
»Oh, immer noch. Ich dachte, Ihnen wäre inzwischen etwas Originelleres eingefallen – zum Beispiel Herumlungern auf dem Postamt.«
Ein Höfling in gelbem Anzug trat vor und bewegte ein Taschentuch vor der Nase, das nach billigem Parfüm stank. »Wenn Majestät gestatten«, begann er näselnd, »liegt der Schluß klar auf der Hand, daß dieser Kerl einen mächtigen Beschützer haben muß, weil er sonst nicht so unverschämt wäre. Der Schurke steht ohne Zweifel im Dienst des Rebellen Lod!«
»Lod?« O'Leary zog die Augenbrauen hoch. »Wer ist das?«
»Du weißt vermutlich recht gut, daß das so benannte Wesen ein schrecklicher Riese ist, ein gefürchteter Bandit, der die Frechheit besitzt, die Hand der Prinzessin Adoranne zu fordern.«
»Und davon träumt, eines Tages meinen Thron zu besteigen«, fügte Goruble hinzu und schlug wütend auf die geschnitzte Lehne.
»Nun, Bursche, leugnest du noch?« wollte der Gelbe wissen.
»Ich weiß nichts von diesem Lod«, antwortete O'Leary ungeduldig. »Und ich habe immer behauptet, daß ich kein Zauberer bin. Es gibt keine Zauberer!«
Goruble starrte ihn nachdenklich an. »Ah, es gibt keine Zauberer?« Er machte eine Handbewegung. »Nicodaeus soll vortreten!«
Ein großer Mann mit grauem Haar, gelben Pluderhosen und einem kurzen Umhang, auf dem goldene Sterne und silberne Halbmonde leuchteten, trat vor, verbeugte sich vor dem Thron, setzte eine randlose Brille auf und betrachtete Lafayette.
»Ah, ein Zweifler«, stellte er fest, hob die Hand und nahm ein Ei aus seinem Mund. Die Höflinge murmelten verblüfft. Der Grauhaarige betrat das Podium, flüsterte eine Entschuldigung und nahm dem König eine Maus aus der Tasche. Er setzte das Tier zu Boden; es rannte davon, während die Damen pflichtschuldig aufkreischten. Dann holte er eine zweite Maus aus dem Schuh des Königs und eine dritte aus dem königlichen Ohr. Der Monarch fuhr zusammen, sah O'Leary scharf an und ließ Nicodaeus zurücktreten.
»Nun, was sagst du dazu, O'Leary?« fragte er. »Mein getreuer Nicodaeus zaubert allerdings nur harmlose Dinge, die Goop dem Guten wohlgefällig und meiner Krone nützlich sind; aber niemand kann leugnen, daß die Naturgesetze dabei überlistet werden.«
»Pah!« sagte Lafayette. »Alles nur billige Zaubertricks. Jeder Taschenspieler auf dem Jahrmarkt beherscht bessere.«
Nicodaeus blieb vor ihm stehen. »Darf man
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