Das große Zeitabenteuer
wild. Der Riese ließ sich in seinen Sessel fallen und starrte Lafayette wütend an. »Freundlichkeit verstehst du offenbar nicht«, stellte er mit gezwungener Ruhe fest. »In diesem Fall sind andere Maßnahmen angebracht.« Er rief Stampfer mit einem schrillen Pfiff herein. »Bring ihn in die Folterkammer und steck ihn in den Käfig. Ich komme später nach.«
Die Minuten wurden zu Stunden. O'Leary begann zu schwanken und richtete sich wieder auf, als spitze Dorne in seinen Rücken drangen. Wohin er griff, in welche Richtung er sich auch bewegte – überall nur scharfe Spitzen, denen er nur dann völlig entging, wenn er in gebückter Haltung leicht in die Knie ging. In dieser Stellung konnte er jedoch nie lange bleiben…
»Davon hast du nichts, Lod«, krächzte er. »Ich schwöre dir, daß ich auf eigene Faust gekommen bin.«
Der Riese lag in einen bequemen Sessel zurückgelehnt und beobachtete sein Opfer. Jetzt machte er eine abwehrende Handbewegung. »Sei so hartnäckig wie du willst, kleiner Mann. Ich sehe mit Vergnügen zu, wie du dich windest, ohne den Stacheln völlig entgehen zu können.« Lod grinste zufrieden, hob seinen Bierkrug und trank genüßlich.
O'Leary bewegte nur die Augen und sah sich zum fünfzehntenmal in dem großen unterirdischen Raum um, der an ein Burgverlies erinnerte. Die Decke wurde von starken Balken getragen, Wände und Boden bestanden aus grob gehauenen Steinen. Überall hingen Jagdtrophäen und zerbrochene Waffen – unter anderem auch eine große zweischneidige Axt.
»Du bewunderst meine Andenken«, stellte Lod fest. Er wurde um so redseliger, je mehr Bier er trank. »Erinnerungen an die Zeit, in der ich weniger berühmt war.«
»Berühmt?« wiederholte O'Leary verächtlich. »Du bist ein ganz gewöhnlicher Bandit, Lod. Vielleicht etwas häßlicher als die meisten, aber darauf brauchst du dir nichts einzubilden.«
»Du bist noch recht fröhlich«, meinte der Gigant ungerührt. »Aber Schmerzen und Durst und Hunger sind treue Diener; sie verbünden sich mit der Furcht und tun so ihre Arbeit.«
»Nur Narren kennen keine Furcht!« kreischte die hohe Stimme plötzlich. »Du spielst mit Mächten, die du nicht kennst, Tyrann!«
»Wo kommt die Stimme her?« fragte Lafayette.
»Stimme meines Gewissens«, knurrte Lod, rülpste und trank.
»Schönes Gewissen; ich höre es bis hierher. Warum achtest du nicht darauf? Es ist schlauer als du.«
Lod schüttelte den Kopf. »Eines Tages bringe ich es noch um«, murmelte er vor sich hin. »Und dieser Tag kommt bald.« Irres Gelächter antwortete ihm. Er trank nochmals, setzte den Krug auf den Tisch und starrte O'Leary an.
»Du schwatzt von Prinzessin Adoranne, meiner zukünftigen Braut«, knurrte er mißmutig. »Er hat mir geschworen, daß ich sie bekomme! Und jetzt ist sie verschwunden. Seine Pläne reifen, deshalb bildet er sich ein, auf mich verzichten zu können, obwohl er einen Eid geschworen hat!«
»Adoranne ist… wirklich nicht… hier?« O'Leary starrte das gerötete Gesicht an.
»Ja, er ist gerissen«, fuhr der Riese undeutlich fort. »Aber der Narr vergißt, daß ich in meinem eigenen Land König war!« Er nahm wieder einen tiefen Schluck. »Ich habe mich selbst zum König gemacht! Mein Vater war mächtig und stark, aber ich habe ihn erschlagen!«
»Er hat dir vertraut, widernatürlicher Sohn und Bruder!« krächzte die Stimme. »Du hast ihn im Schlaf ermordet.«
»Dem Sieger gehört die Beute!« brüllte Lod. »Und trotzdem will der Verräter im Palast mich mit Almosen abspeisen – ich soll diese Wüste bekommen, während er die reichen Städte behält!«
»Warum nicht?« fragte O'Leary, der inzwischen einer Ohnmacht nahe war. »Nicodaeus weiß, daß er dich betrügen kann, weil du dumm bist.«
»Dumm?« Lod brach in schallendes Gelächter aus. »Und trotzdem hat er einen Schwächling geschickt.«
»Wie hat dieser Schwächling den Drachen überwunden?« fragte die schrille Stimme. »Das muß dich interessieren, Narr!«
»Richtig, jetzt will ich etwas wissen!« Lod beugte sich schwankend vor. »Warum hat der Zauberer dich geschickt? Warum dich? Wer bist du? Was bist du?«
O'Leary schwieg verbissen.
Lod wollte aufstehen, sank jedoch wieder zurück. »Ich verausgabe mich unnötig«, murmelte er vor sich hin. »Nicht mehr lange, dann tut der Käfig seine Arbeit.«
»Nicht mehr lange, dann stirbst du«, kreischte die unheimliche Stimme.
»Still!« brüllte Lod. Er hob den Krug, trank unsicher und setzte ihn wieder
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