Das große Zeitabenteuer
ab. »Wer ernährt dich, wenn ich sterbe, du Schmarotzer?« Er starrte Lafayette ins Gesicht. »Ich habe dieses Spiel bald satt«, polterte er. »Sprich jetzt, kleiner Mann! Welche Pläne hat Nicodaeus? Warum hat er dich geschickt? Warum?«
»Das würdest du… wohl gern wissen«, brachte O'Leary hervor. Er versuchte sich zu konzentrieren, hatte jedoch keinen Erfolg damit, weil ihn die Schmerzen ablenkten. Diesmal würde er nicht entkommen; er würde hier sterben, und Adoranne würde nie erfahren, was er für sie gewagt hatte.
»… jetzt, bevor es zu spät ist!« drängte die schrille Stimme. »Laß ihn frei, Vatermörder, bevor die Katastrophe über dich hereinbricht!«
»Man könnte glauben, der kleine Mann hätte dich in seiner Gewalt«, murmelte Lod, »weil du gar so eifrig für ihn sprichst.«
»Narr! Laß ihn gehen! Ich sehe Tod und Blut und den Schatten der Großen Axt über deinem Haupt!«
»Die Große Axt hängt dort drüben bei meinen Trophäen«, erwiderte Lod grinsend. »Wer sollte sie hier gegen mich schwingen?« Er füllte seinen Krug, leerte ihn und füllte ihn erneut. »Nun, wie fühlst du dich, kleiner Mann?« rief er O'Leary zu. »Lockert der Schmerz dir die Zunge?«
»Mir geht es gut«, sagte Lafayette mühsam beherrscht.
»Laß ihn frei!« forderte die Stimme. »Laß ihn frei, schwachsinniges Ungeheuer!«
Lod schüttelte den Kopf. »Da siehst du, kleiner Mann, welche Last ich Tag und Nacht zu ertragen habe! Diese Stimme könnte einen Schwächeren zum Wahnsinn treiben, was?« Er starrte O'Leary fragend an.
»Ich … höre … nichts«, stieß Lafayette hervor. »Du bist schon… übergeschnappt, vermute ich …«
Lod rülpste. »Das ist keine Geisterstimme«, behauptete er. »Ich kenne die Lippen, die jeden Laut formen.«
»Das erste… Anzeichen«, keuchte O'Leary. »Man hört … Stimmen…«
Lod grinste. »Und du, kleiner Mann, tröstest dich mit dem Gedanken, daß ich offenbar nicht alle Unverschämtheiten bestrafe. Du bildest dir ein, einen Verbündeten gefunden zu haben, was? Aber von dieser Seite hast du nicht viel zu erwarten!« Er lachte häßlich. »Wie unhöflich von mir, daß ich die Vorstellung unterlassen habe! Aber das läßt sich nachholen!« Lod griff sich an den Hals und riß den Schal ab.
An der Schulter wuchs noch ein zweiter Kopf empor – zusammengeschrumpft, runzlig, mit eingefallenen Wangen und glühenden Augen.
»Sieh, dies ist mein Bruder!« murmelte Lod; dann sank er in seinen Sessel, schloß die Augen und begann zu schnarchen.
11
Zunächst herrschte langes Schweigen. Lods Schnarchen wurde lauter und tiefer. Er bewegte sich und stieß den Bierkrug um; die dunkle Flüssigkeit lief über den Tisch. O'Leary starrte den zweiten Kopf an, dessen Lippen sich bewegten.
»Der Unhold schläft«, flüsterten sie schrill. »Hör zu, Kleiner – gehorchst du mir, wenn ich dir jetzt helfe?«
Lafayette versuchte zu sprechen, aber seine Zunge war gelähmt; er wollte nicken, aber die Stacheln bohrten sich in seinen Nacken, so daß er es lieber bleiben ließ.
»Sprich, Narr!« zischte der Kopf. »Ich kann dich befreien – aber gib mir zuerst dein Wort, daß du einen Auftrag für mich durchführst!«
»Was … was soll ich tun?« O'Leary mußte sich beherrschen, um nicht der Versuchung nachzugeben und in dem schwarzen Abgrund zu versinken, der sich vor ihm auftat
»Hör zu! Freiheit, wenn du mir dienst!«
Die Stimme drang durch den Nebel. Lafayette riß wieder die Augen auf und holte keuchend Luft, während er sich von den Stacheln befreite. »Was… willst du… von mir?« fragte er mühsam.
»Siehst du die große Axt dort drüben hängen? Es steht geschrieben, daß der Verräter durch sie den Tod finden soll! Nimm sie! Schlag seinen Kopf damit ab!«
»Seinen… Kopf?«
»Der Vatermörder will nun auch mich, seinen Bruder, ermorden«, flüsterte der Kopf. »Die besten Ärzte des Landes sollen die Operation durchfuhren. Er fürchtet mich, und er haßt mich. Ah, dieser Unhold! Seinen eigenen Bruder!«
»Wie… kannst du mich… freilassen?«
»Solange er seinen Rausch ausschläft, kann ich seinen Körper ein wenig kontrollieren; unseren Körper, der bald mir gehören wird. Was sagst du, kleiner Mann? Bist du einverstanden.«
»Ich… ich will es versuchen.«
»Topp!« Die glühenden Augen verengten sich. Lafayette sah, daß auf der breiten Stirn Schweißperlen erschienen. Eine behaarte Hand tastete in den Falten des Gewandes nach einer Tasche, verschwand
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