Das gruene Gewissen
Offshore-Windparks, die nicht von Fischerbooten durchfahren werden dürfen, mittlerweile Heimstätten für Muscheln, die an den riesigen Betonfundamenten Kolonien bilden, was wiederum Auswirkungen auf die Fischpopulation hat. Die Technik wird so zur Nische der Natur, auch wenn mit ihr negative Auswirkungen wie das Ausbessern von Betonfundamenten am Meeresboden durch moderne Baustoffe verbunden sind. Alles hängt mit allem zusammen, könnte man geradezu buddhistisch antworten. Die Biodiversität ist hier oftmals größer als in freien Gewässerabschnitten.
Ist also alles in Ordnung am Gedanken, die Natur nach unseren Bedürfnissen zu nutzen und damit zu verändern? Nein. Fraglos hat die Düngung mit Phosphaten und Stickstoff dazu geführt, pflanzliche Monokulturen entstehen zu lassen, was verheerende Folgen für bestimmte Insekten und Vögel hat und angesichts der Leistungsorientierung in der Landwirtschaft tendenziell weitergehen wird. Boden- und Wiesenbrüter finden in den hochgezüchteten landwirtschaftlichen Produktionsflächen nicht mehr die Nahrung, die sie zur Aufzucht ihrer Jungen brauchen. In einem Gespräch zum Thema Biodiversität, das ich einmal mit Guido Puhlmann, dem Vorstandsvorsitzenden der Nationalen Naturlandschaften (Europarc), dem Zusammenschluss der Biosphärenreservate, Nationalparks und Naturparks, führte, hörte ich den Vergleich, dass ein unter Ertragsgesichtspunkten korrekt bestelltes Rapsfeld im Sommer so tot sei wie eine Betonfläche. 77
Noch gravierender, sagen manche Umweltschützer, seien die Auswirkungen des Mais, einer Pflanze, die viel Wasser und Stickstoff braucht und andere Pflanzen verdrängt. Über sie ist in letzter Zeit viel gesprochen worden, vor allem im Zusammenhang mit der Welternährung.
Im Zeichen des Klimaschutzes sind nennenswerte Monokulturen dieser Energiepflanzen entstanden, von denen Teile auch in den Futtermittelbereich gehen. Dennoch schärft sich der Blick nicht zuletzt unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten hier notwendigerweise neu. Auch deshalb, weil Biomasse nicht in Anlagen wächst, sondern Hänger für Hänger mit dieselbetriebenen Traktoren in selbige gefahren werden muss. Biogasanlagen wie jene in Penkun zwischen Pasewalk und Schwedt – die größte ihrer Art weltweit –, haben nichts mit Ökologie oder biologischem Landbau zu tun, sondern sind Teil einer hochindustrialisierten und auf Gewinne ausgerichteten Landwirtschaft, die sich die Gesellschaft einiges kosten lässt. Denn die Einspeisung von Strom, den man aus der Umwandlung von Biogas gewinnt, wird wie Sonnen- und Windstrom auf viele Jahre fest vergütet, was dazu geführt hat, dassin Deutschland rund 8000 Biogasanlagen mit einer entsprechenden Wertschöpfung entstanden sind.
Bereits vor der endgültigen Energiewende 2011 hat die Förderung von Biomasse diese Entwicklung über das EEG der Bundesregierung begünstigt. Mehr als zwei Drittel der erneuerbaren Energie werden aus Biomasse gewonnen. Gerade in der Wärme- und Kraftstoffversorgung ist Biomasse die wichtigste erneuerbare Energiequelle. Die Bioenergie wird bei der Transformation des Energiesystems daher ohne Zweifel einen wichtigen Anteil leisten. Nach Plänen der Bundesregierung soll ihr Anteil aber auch beim Strom trotz mancher Warnungen hinsichtlich Nutzen und Umweltverträglichkeit von derzeit acht auf über zwanzig Prozent im Jahr 2050 klettern.
Weissensee – oder: Zwischen Hausgeburt und Impfverweigerung
Christian Milker hatte mir die Hand gegeben, als ich Philippsburg verließ. Wie zum Beweis unseres Gesprächs über die Wanderung der Arten sah ich auf dem Weg zum Ausgang des Kernkraftwerks einen Fasan, der im Dickicht zwischen Straße und Zaun stand. Ich trat auf die Bremse, denn er schien mich anzusehen. Die Schönheit dieser Tiere hatte mich schon immer fasziniert. Es war ein männliches Tier. Unverkennbar leuchtete das dunkelrote Gefieder des Kopfes vor dem Hintergrund des noch graubraunen Frühlingsbodens.
Draußen vor dem Tor kreuzte eine Gruppe Radfahrer die Straße zur Rheinschanzinsel, ältere Männer mit Bierbäuchen, wie man sie sonntags häufiger auf Rennrädern antrifft. Der Weg führte auf eine Bundesstraße, die irgendwann zur Autobahn wurde. Es war der 22. April. Im Radio lief eine Sendung zum hundertsten Geburtstag der englischen Altistin Kathleen Ferrier, die in den romantischen Liedern von Robert Burns ebenso zu Hause war wie in der Musik Bachs, eine Frau von Ironie, Volkstümlichkeit und Geistigkeit. Sie
Weitere Kostenlose Bücher