Das gruene Gewissen
des heutigen Anteils von acht Prozent betragen, der Energiebedarf durch eine höhere Effizienz und ein anderes Verbraucherbewusstsein gleichzeitig um die Hälfte sinken. 91
Daraus folgt ein beständig wachsender Bedarf an Biomasse und eine nicht zu leugnende Nutzungskonkurrenz mit Nahrungsmitteln. Man muss angesichts der Größenordnungen der weltweiten Produktionsflächen, die nicht für den Weizenanbau genutzt werden, nicht gleich das Schlimmste befürchten. Ein Fünftel der deutschen Ackerflächen, so ist zu wiederholen, werden jedoch heute bereits nicht für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt, sondern zu einem Gutteil für den Anbau von Raps, aus dem man Diesel macht, sowie von Mais für die Biogaserzeugung. Damit werden aber gerade einmal zwei Prozent des bundesdeutschen Gesamtenergiebedarfes gedeckt.
All das reicht mit anderen Worten nicht aus, um die ehrgeizigen Ziele der Energiewende zu erfüllen. Ein Großteil der bei uns verarbeiteten Biomasse kommt deshalb bereits aus dem Ausland, weshalb man trotz aller Nachhaltigkeitsbemühungen nur eingeschränkt von einer „heimischen Energieform“ oder heimischen Ressourcen sprechen kann – und am besten gar nicht erst darüber nachdenkt, aus welchen Regionen und auf welchem Wege etwa Holz zu uns kommt und welche Verwerfungen sich wegen unseres Wunsches nach einer stärker biobasierten Energieversorgung andernorts in der Welt abzeichnen. Wir sind beim Thema Bioenergie langfristig nicht anders als beim Gas oder Öl auf den Zukauf aus dem Ausland angewiesen.
Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Lebens- und Futtermitteln werden energiereiche Biomasse und Pflanzen zur Lebensmittelversorgung vor allem im globalen Maßstab immer stärker um die begrenzten Agrarflächen konkurrieren. Bei den ins Gerede gekommenen Biokraftstoffen wird es unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit umso mehr darauf ankommen, dass Restrohstoffe der Land- und Forstwirtschaft sowie Abwässer und Abgase genutzt werden, um den Konflikt zu entschärfen. Heute nimmt man Öle, Stärke und Zucker – die in erster Linie Lebensmittel sind –, da ihre Umwandlung chemisch und biotechnologisch vergleichsweise einfach ist. 92
Die Auswirkungen auf das Antlitz der Landschaften in Deutschland werden, das kann man in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern bereits heute sehen, spürbar sein. Und doch ist die Produktion von Biomasse etwas, was es immer gab: die Nutzung der Landschaft und damit ihrer Böden nach den jeweiligen wirtschaftlichen Prämissen. Schwerer als die Sorgen um die Flächennutzung daheim wiegt das, was man Verantwortung im globalen Maßstab nennen könnte, wenn man sich die Steigerung der Bodenpreise, die Verknappung der Flächen und damit die rasante Zunahme ausländischer Landinvestitionen im Energie-, Rohstoff- und Nahrungsmittelbereich ansieht, die etwa zurzeit in Afrika stattfinden. „Landgrabbing“ ist hier das Stichwort. Insbesondere bevölkerungsreiche Nationen wie China oder Indien sind dabei besonders engagiert, um es diplomatisch auzudrücken.
Ein offenes Geheimnis ist zudem, dass das eigentliche Ökoproblem nicht die Frage der Biosprit-Produktion in Deutschland ist, die gern für politischen Populismus genutzt wird, sondern der weltweit gestiegene Fleischkonsum. Für ihn wird der Großteil der Bodenflächen auch bei uns genutzt. Deutschland ist dabei ein Durchlauferhitzer: Es importiert Soja, betreibt hier Massenzucht und exportiert das Schweinefleisch anschließend, auch nach China. Das minderwertige Fleisch geht nach Afrika, wo es die heimischen Preise zerstört.
An den Grenzen der Schöpfung: Grüne Gentechnik
Es bleibt anscheinend nur ein Ausweg, um die wachsenden Ansprüche an die vorhandenen Flächen, die überdies zunehmend geschützt werden, zu harmonisieren: „Auf weniger Fläche mehr produzieren“, wie das Bundesforschungsministerium anlässlich der Grünen Woche im Januar 2010 als Pressemitteilung herausgab. 93 Nur hat die Bodenfruchtbarkeit ihre Grenzen, weshalb man auf das Thema Züchtung setzt. Man kratzt damit zugleich an den Grenzen der Schöpfung, etwa durch die grüne Gentechnik. Denn die Reaktionen gleichen in Deutschland einem Peitschenknall und rufen ein Aggressionspotenzial ab, das einzig mit dem beim Thema Kernenergie vergleichbar ist. Mehr als jedes andere den Verbraucher unmittelbar betreffende Thema ist sie geeignet, die tiefsten Ängste und damit verbundene Widerstände hervorzurufen, da es hier um das
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