Das gruene Gewissen
einer Diskussion über den gegenteiligen Effekt geführt hat – darüber, ob sie zu erschwinglich geworden sind. Vierzig Prozent aller erzeugten Lebensmittel werden weggeschmissen. Wichtiger ist jedoch, dass diedeutsche Ernährungsindustrie nach dem Automobilbau, dem Maschinenbau und der chemischen Industrie zum viertgrößten Gewerbezweig mit einer halben Million Beschäftigten geworden ist. 90 Nicht anders als der Automobil- oder Anlagenbau, der einige Dax-Konzerne kennt, in der Regel aber viele Mittelständler, ist auch diese Branche weiterhin stark mittelständisch geprägt. Die zehn größten Unternehmen machen gerade mal 13 Prozent des Branchenumsatzes aus – das gibt es nirgendwo sonst.
Dennoch schreiten die Konzentrationsprozesse sowohl bei Schlachtereien als auch bei Molkereien immer weiter voran. Seit den 1990er Jahren hat sich die durchschnittliche Hofgröße in Deutschland verdoppelt. Wer Milchkühe hält, der hält heute doppelt so viele Tiere wie vor zwanzig Jahren, bei Schweinen ist der Effekt noch größer. Fleisch und Milch kommen mit anderen Worten immer öfter von den ganz Großen – eine Marktkonzentration, die auch bei der Biomasse im globalen Maßstab zu beobachten ist.
Teller oder Tank
Mit der sogenannten Bioökonomie als Konzept soll der an sich richtige Versuch unternommen werden, zu den Anfängen des Wirtschaftens zurückzukehren. Das heißt: weg vom Öl, hin zur Biomasse. Ein Ergebnis ist jedoch, dass die landwirtschaftlichen Flächen – aber auch forstlich genutzte Flächen – immer stärkeren Nutzungskonkurrenzen unterliegen, und das weltweit. Nicht zuletzt geraten auch die Naturschutzflächen und Schutzgebiete zunehmend unter Druck. Der Boden ist zu einer wertvollen Ressource geworden, die in einer Liga mit fossilen Rohstoffen spielt.
„Will Soil become more precious than Oil?“ Diese Frage stellen sich Agrarökonomen schon seit Jahren. Die Bodenpreise sind weltweit um das Zwei- bis Dreifache gestiegen. Das Gleiche gilt für die Pachten. Wer heute nicht ausreichend Eigenland hat, kannfür den Lebensmittelmarkt nicht mehr wirtschaftlich produzieren. Das Wort Bodenschatz, das zunächst an ein Märchen aus einem Bergwerk im Harz erinnern mag oder an Goldgräber in Nordamerika, bekommt dadurch einen anderen Zungenschlag.
Der Grund für diesen Trend liegt auf der Hand: Die vorhandene Zahl an Bodenflächen ist nicht beliebig vermehrbar. Im Gegenteil: Deutschland ist ein Nettoimporteur an Agrar- und Ernährungsgütern, was insbesondere beim Einsatz von gentechnisch verändertem Soja als Futtermittel zu erbitterten Diskussionen führt. Die verbrauchte „virtuelle Fläche“ ist deutlich größer als die real in Deutschland zur Verfügung stehende. Zum Erhalt unseres Lebensstandards nutzen wir also, kurios genug, Weide- und Anbauflächen in anderen Teilen der Welt – nicht nur für Nahrungs- oder Futtermittel, sondern auch für energetisch genutzte Biomasse.
Für die gesellschaftliche Diskussion, welchem Nutzen die Flächen zugeführt werden sollten, hat man die Metapher „Teller oder Tank“ gefunden. Heute sind es bereits 19 Prozent der realen Flächen in Deutschland, die für energetische Zwecke genutzt werden, wobei auch Photovoltaikanlagen zunehmend ins Gewicht fallen. Im Jahr 2020 sollen es 35 Prozent sein, denn die Nachfrage für die Steigerung der Energiepflanzenproduktion nimmt aufgrund der Energiewende deutlich zu, und die Ausbauziele der Bundesregierung im Bereich Biomasse sind nicht weniger ambitioniert als bei den anderen erneuerbaren Energieträgern. Alles das, was heimisch nicht erwirtschaftet werden kann, muss deshalb importiert werden. So steht es im Energiekonzept der Bundesregierung von 2010.
Europaweit, vor allem aber in Deutschland, wird die Bedeutung der Biomasse vor diesem Hintergrund weiter steigen, da sie gegenüber allen anderen Erneuerbaren mit Ausnahme der Wasserkraft und der Geothermie einen entscheidenden Vorteil besitzt: Sie ist speicher- und regelbar. Sie liegt anders als die volatile Wind- und Sonnenenergie also genau dann als gebundene Energie vor,wenn die Verbraucher sie benötigen, und weist damit dieselben Eigenschaften wie konventionelle Energieträger auf. Und da wir es mittlerweile gewohnt sind, beim Klima oder der Energie ganz weit in die Zukunft zu schauen, werden Szenarien für die Mitte des Jahrhunderts entworfen: Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll der Biomasseanteil bis zum Jahr 2050 wie erwähnt das Drei- bis Vierfache
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