Das gruene Gewissen
Herzen liege. Sie sei davon überzeugt, dass sich die Einsparung von Pflanzenschutzmitteln durch den Anbau von gentechnisch modifizierten Pflanzen positiv auf den Artenreichtum, die Vogelwelt, die „Schönheit unserer Landschaften“, auswirken würde. 95
Ein Problem des Umgangs mit gentechnisch veränderten Pflanzen, auf das Kritiker immer wieder verweisen, liegt zweifellos darin, dass wissenschaftliche Langzeitstudien zu den Folgen fehlen – jene Absicherung durch eine objektive Forschung, die auch bei den positiven Aspekten herangezogen wird. Dennoch ist aufschlussreich für die Debatte um Natur und Natürlichkeit, wasNüsslein-Vollhardt zum Abschluss ihrer Rede sagte, als sie von der spezifischen Akzeptanzproblematik in Deutschland sprach:
„Was die Akzeptanz anbetrifft, ist auffallend, dass vieles, was den Deutschen an der modernen industrialisierten Form der Landwirtschaft nicht gefällt, der Gentechnik angekreidet wird, obwohl in Deutschland praktisch keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut werden. Monokulturen, Großbetriebe, Massentierhaltung, intensive Düngung, Pflanzenschutzmittel, der Unsinn der subventionierten endlosen Felder mit Mais oder Raps für Biokraftstoffe (ein wirklich sehr ärgerlicher Missbrauch des Wortes Bio) – das alles hat doch gar nichts mit Gentechnik zu tun! Sondern damit, dass Menschen in Großstädten, die man ja eigentlich auch als Massenhaltung beschreiben könnte, einfach nicht von Bio-Kleinbauern ernährt werden können, weil diese Verfahren zu arbeitsintensiv und damit teuer sind und zu viel Land brauchen.
Das wird wohl nicht genügend gut verstanden und von den Politikern auch nicht genügend gut erklärt. Auch rührt das Unbehagen von einer romantischen realitätsfernen Vorstellung des gesunden Landlebens her, die man zurückholen will, wider alle Vernunft. Und wider die Tatsache, dass unsere Nahrung noch nie so gesund und gut war wie heute.“ 96
Es wäre falsch, den pauschalen Widerstand gegen das Neue als Ursache des Unbehagens an der grünen Gentechnik auszumachen. Der Grund mag weniger darin liegen, dass solche Technologien einen Eingriff in die Natur darstellen; eingegriffen haben die Menschen schon immer in den Naturhaushalt und werden dies auch weiter tun, und zwar weitaus gravierender als bei den Eigenschaften eines Saatkorns.
Ein gutes Beispiel dafür ist die erwähnte Akzeptanz von Pharmaka, die sich seit dem Einsatz von gentechnisch erzeugtem Humaninsulin anstelle von Insulin aus Bauchspeicheldrüsen von Schweinen nachweisen lässt, die man bis zu Beginn der achtzigerJahre dafür verwendete; in der DDR noch länger. Niemand würde daran oder an zukünftig bedeutender werdenden Anwendungen der roten Gentechnik etwa bei der Behandlung von Gelenkarthrosen Anstoß nehmen. Das heißt, dort, wo ein individueller Nutzen aufgrund eines persönlichen Leidensdrucks gesehen wird und ein Kollektivrisiko nicht zur Debatte steht, vertrauen Menschen wissenschaftlich-technischen Innovationen sehr schnell und haben kein Problem damit, die natürliche Ordnung ein bisschen durcheinanderzuwirbeln.
Während viele Anti-Aging-Cremes mittlerweile im Fernsehen damit werben, dass sie direkt „an der DNA“ wirken würden, gilt unabhängig von der Aberwitzigkeit solcher Slogans die bloße Erwähnung von erbgutveränderten Inhaltsstoffen im Nahrungsmittelbereich hingegen als Kriegserklärung. Die Technik ist immer dann eine gute Technik, wenn sie die Natur verbessern, ein natürliches Leiden beheben kann, das Kind gewissermaßen schon in den Brunnen gefallen ist und allein nicht wieder hinaus kommt.
Das entscheidende Merkmal für die Akzeptanz ist darum das der Alternativlosigkeit . Während die Menschen im Bereich der Humanmedizin wissen, dass auf anderem Wege keinerlei Hoffnung für sie besteht, fehlt die Alternativlosigkeit, man könnte auch sagen: die unbedingte Notwendigkeit, der Leidensdruck im Nahrungsmittelsektor komplett. Warum, so kann man argumentieren, soll man sich einem potenziellen Risiko aussetzen oder einer Form der Landwirtschaft anschließen, wenn es auch anders geht? Der Hinweis auf die globalen Herausforderungen oder den Mehrertrag, der vor allem den Agrarkonzernen zugute kommt, bleiben ein schwacher Trost. Denn so stichhaltig er auch sein mag, er erreicht die emotionale Ebene nicht, die für die Akzeptabilität einer Technologie entscheidend ist.
Zudem denken wir in Assoziationsketten. Technologien, deren Resultate – mit einem Wort aus dem
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