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Das gruene Gewissen

Das gruene Gewissen

Titel: Das gruene Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Moeller
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„Ernte“ zu erleben.
    Warum empfinden wir wieder Freude an solchen Dingen? Das Urban Gardening hat zwei Ursachen, die es zu einem Zeitphänomen machen, als das es die Medien nicht nur bei uns behandeln. Auf der einen Seite ist das Misstrauen angesichts von Lebensmittelskandalen und Schreckensmeldungen über die moderne Nahrungsmittelindustrie so groß geworden, dass insbesondere aufgeklärte Städter wissen möchten, woher die Nahrung stammt und unter welchen Bedingungen sie entstanden ist. Das Urban Gardening ist der Versuch, Informations- und Entscheidungshoheit wiederzuerlangen. Eine Entscheidungshoheit, die in den letzten Jahren durch die Rundumversorgung mit Fertigprodukten für die Mikrowelle im Billigdiscounter fast abhandengekommen ist.
    Auf der anderen Seite arbeiten immer weniger Menschen in praktischen, sprich handwerklichen Berufen. Gerade in Städten wie Berlin oder Hamburg üben sie Berufe wie meinen aus, sitzen in Büros, schreiben und telefonieren, bevor man wieder aufs Fahrrad steigt oder ins Auto. Vor einem Jahrhundert sah die Arbeitswelt wie anfangs erwähnt fundamental anders aus. Von einhundert Erwerbstätigen waren 38 in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt und nur 14 in Dienstleistungsberufen. Heute sind es zwei in der Landwirtschaft und 51 in der Dienstleistungsbranche. 102
    Wieder etwas mit den eigenen Händen zu tun und die Früchte dieser Arbeit im wörtlichen Sinne zu ernten, einen eigenen Garten zu haben und ihn zu bestellen: Dies bedeutet auch den Wunsch nach Einfachheit, Nachvollziehbarkeit und Unabhängigkeit von Produktionsketten. Es ist die alte Magie des Handwerks, die wieder en vogue ist.

Prenzlauer Berg – oder: Die Seele der handgemachten Dinge
    Im nördlichen Prenzlauer Berg, ungefähr dort, wo die Wisbyer Straße die Schönhauser Allee kreuzt, liegt die Werkstatt von Martin Z. Schröder. In einem Souterrain betreibt er seine „Druckerey“, die längst kein Geheimtipp mehr ist. Hier werden Papiere aller Art von Maschinen bedruckt. Zum Teil entstammen sie dem Beginn des letzten Jahrhunderts. Wer den Raum betritt, ist nicht nur gebannt von der Schönheit der Briefbögen, Visitenkarten, Hochzeitskarten und Ex-Libris-Drucke, die an den Wänden hängen, darunter auch bekannte Namen von Künstlern und Autoren. Man ist es auch von der Emphase, mit der Martin Z. Schröder die Geräte bedient und über die Kunst des Buchdrucks spricht.
    Im Jahr 2009 hat sich Martin Z. Schröder eine Maschine der Firma Heidelberg zugelegt, die ihm ein Sammler angeboten hatte, einen „Original Heidelberger Tiegel“. Der Tiegel kam 1914 auf die Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik („Bugra“) in Leipzig und ging 1921 in Serie. 1952 wurde dieses Exemplar hier gebaut. Es ist so groß wie ein Gefrierschrank und aus schwarzem Stahl. Man erahnt, dass es tonnenschwer sein muss. „Ich habe durch den Tiegel begriffen, warum die Deutschen so berühmt wurden für Druckmaschinen“, sagt Schröder. „Für jedes Problem, das sich dem Drucker während der Arbeit stellt, habendie Erfinder eine Lösung ausgetüftelt. Immer wieder schießt einem durch den Kopf: Sogar daran haben sie gedacht. Und man ist sehr dankbar für diese Umsicht.“
    Dann holt er einen Stapel Papier, den er einlegt und den Druckvorgang startet, während er die Hand an der Maschine lässt und einige gekonnte Bewegungen ausführt. Es ist zu sehen und zu hören: In Sekundenschnelle werden die einzelnen Bögen zum Bleisatz geschickt, bedruckt und abgelegt. „Man arbeitet ganz anders mit einer solchen Maschine, als man es von moderner Technik kennt, die nur das Auge beansprucht. Wir Buchdrucker sagen: Man druckt mit den Ohren.“
    Und dann erzählt Schröder von den Saug- und Blasgeräuschen, von einem Rauschen der Farbe, das seidig klinge bei dünnem Farbauftrag und schmatzend bei Flächendruck. Die Mechanik gebe einen Rhythmus vor, die Maschine singe ein Lied, und der Drucker lausche, um Störungen herauszuhören, bevor der Druck misslingt. Die „Musik“ setze sich aus Einzelgeräuschen zusammen, aus der uhrwerkartigen Mechanik von Papiertransport und Farbwerk. „Ich mache das Ganze nicht aus Nostalgie“, sagt Martin Z. Schröder und zeigt auf eine Schneidemaschine im hinteren Teil der Werkstatt. Und er schwärmt weiter, dass nirgendwo anders auf der Welt noch solche Schneidemaschinen produziert würden, nur in Deutschland, und dass er sich den Mercedes zugelegt habe, ein Exemplar der Firma Wohlenberg.
    Man

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