Das gruene Gewissen
die Ablösung der individuellen Handarbeit durch die Maschinen ist zu einem Großthema der europäischen Kulturgeschichte geworden. Die Automatisierung fabrikmäßiger Prozesse warf dabei immer auch die Frage auf, wie sich der Fortschritt am Ende auf den Einzelnen übertrage und inwieweit die Maschinen noch vom Willen der Menschen abhängig seien.
„Wir sind von einem stets fortschreitenden Automatismus, dem alle Gebiete der Technik zustreben, umgeben“, schrieb Friedrich Georg Jünger, der nie zur selben Bekanntheit gelangte Bruder Ernst Jüngers, in seinem erst nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichten Standardwerk Die Perfektion der Technik am Ende der 1930er Jahre, das nicht nur eine lupenreine konservative Technikkritik ist, sondern auch als eine frühe ökologische Schrift gelesen werden kann. 106 Dabei spricht er einen Gedanken aus, der bis in die Medienkritik unserer Tage Gültigkeit behalten hat: dass die Entwicklung der Technik niemals eine Einbahnstraße sei, die dem Menschen das Leben erleichtere, sondern immer Rückwirkungen auf den Menschen bedeute. So gewinne die Maschine am Ende Macht über den Menschen, auch wenn dieser sich im guten Gefühl wiege, seinerseits Macht auszuüben.
Jüngers Buch ist eine Speziallektüre für Liebhaber ohne große gesellschaftliche Wirkung geblieben. Bereits Oswald Spenglerhatte in seinem 1918 erschienenen Bestseller Der Untergang des Abendlandes mit Blick auf die Technik von einem „ Satanismus der Maschine“ gesprochen, die den faustischen (sprich: deutschen) Menschen „zum Sklaven seiner Schöpfung“ mache. Auch Spengler drückte damit die bedrohliche Umkehr im Verhältnis zwischen Mensch und Technik aus: Nicht der neue Mensch habe die Maschine, sondern die Maschine den Ingenieur, den Unternehmer und den Fabrikarbeiter „herangezüchtet“ . 107 Und der Lebensphilosoph Ludwig Klages schrieb der Technik zu, dass sie – gegängelt von einem „alles beherrschenden Mamonismus“ – die „Aussicht auf Zerstörung des Erdballs“ in sich trage. 108 Sätze, die auch aus dem Imagemagazin einer Umweltorganisation oder von Attac stammen könnten.
Die Erfahrungen des Krieges, vor allem aber die Entstehung von Atomwaffen, haben den Technikdiskurs in Deutschland beziehungsweise aus Deutschland heraus verschärft, nicht zuletzt durch die Emigrationsbewegung. So ist denn auch die zeitgenössische Kulturkritik Richard Sennetts nicht ohne die Erfahrungen zu begreifen, die er nach eigenen Angaben in den sechziger Jahren machte, als die Welt am Rande eines atomaren Krieges stand und jedermann offenbar wurde, dass die vom Menschen in die Welt gesetzten Dinge jederzeit die Gefahr bergen, zu einer Selbstschädigung höchsten Ausmaßes zu führen. Der moderne Mensch, so resümiert er in Anlehnung an Hannah Arendt, sei nicht mehr Herr im eigenen Haus, denn die Artefakte seines wissenschaftlich-technischen Strebens seien ihm über den Kopf gewachsen und zeigten Tendenzen der Selbstzerstörung. Er verstehe nicht mehr, was er im täglichen Umgang mit der Technik eigentlich tue. Genau aus dieser Erkenntnis, so ließe sich ergänzen, erwächst in unserer Zeit die neue Bedeutung des Handwerks als der alten Einheit von Hirn und Hand.
Unter Tage: Die deutsche Romantik und der Bergbau
Solange der Mensch noch Hand an die Technik oder andere Gegenstände legte, diese unmittelbar gebrauchte, schien er sie gleichermaßen zu „beseelen“ – eine Vorstellung, die es in der deutschen Romantik bereits bei Novalis, E.T.A. Hoffmann, aber auch Naturgelehrten wie dem Physiker Johann Wilhelm Ritter gab, der Versuche zum Galvanismus machte und elektrochemische Strahlen entdeckte. Im Vergleich zu Goethes phänomenologischen Studien zur Gesteinskunde und Mineralogie handelte es sich hierbei bereits um naturwissenschaftliche Experimente moderner Prägung.
Für die Romantiker war die Verknüpfung von Sprache, Naturerkenntnis und Technik von zentraler Bedeutung, weshalb die Suche nach der blauen Blume auffällig oft ins Innere der Berge führte. Sie nahmen die Erzählung des Paradieses insofern ernst, als sie an einen vollkommenen Einklang aller Wesen und Kräfte glaubten, der Menschen, Tiere und Pflanzen nicht allein verband, sondern den Menschen auch die Sprache der Natur verstehen ließ. Und weil es eine Einheit zwischen Mensch und anderen Lebewesen gab, verstand er es auch, ihnen ihre „Namen“ zu geben. Die Natur wurde auch deshalb zum zentralen Motiv der Romantiker, weil sie als Symbol für
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