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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Fushía. »Was mir am allermeisten weh tut, Aquilino, was mir am meisten leid tut, ist, daß ich so viel Pech gehabt hab.«
    »Deck dich zu, rühr dich nicht«, sagte Aquilino. »Da kommt ein kleines Boot, versteck dich lieber.«
    »Aber schnell, Alter«, sagte Fushía. »Ich kann hier nicht atmen, ich krieg keine Luft. Fahr schnell vorbei.«Es ist hell wie im Sommer, die Sonne schießt Strahlen ab, die Augen tränen beim Hinsehen. Und das Herz fühlt die vertraute Wärme, will über die Straße gehen, unter den Tamarinden hin, sich auf ihre Bank setzen gehen. Nun steh schon auf, wozu im Bett bleiben, wenn der Schlaf nicht kommt, auf die Alte Brücke rieselt bestimmt gerade ein Sandstaub so weich wie ihre Haare, geh und setz dich vor die ›Estrella del Norte‹, zieh den Hut ins Gesicht, wart auf sie, wird gleich kommen. Sei nicht so ungeduldig, und Jacinto, leer ist die Stadt traurig, schauen Sie Don Anselmo, die Straßenkehrer waren schon da und der Sand hat noch mal alles schmutzig gemacht. Behalt die Ecke vom Markt im Auge, da kommt der Esel beladen mit Körben, wacht die Stadt nicht erst jetzt auf? Da ist sie, schwerelos, stumm, kommt auf die Plaza, als gleite sie, schau, wie sie sie an den Pavillon heranführt, sie hinsetzt, ihre Hände, ihre Haare streichelt, und sie fügsam, die Knie aneinander, die Arme verschränkt: Da ist die Belohnung für all deine Schlaflosigkeit. Und da verschwindet die Gallinaza, treibt den Esel an, setz dich auf im Stuhl, mach dir’s bequem, betracht sie weiter. Kommt die Liebe direkt, mit offenem Gesicht, kommt sie hinterrücks? Und du, es ist Mitleid, Zärtlichkeit, tut einem leid, man möcht ihr was schenken. Laß ihm die Zügel, soll gehen, wie er will, im Schritt, im Trott, im Galopp, er weiß schon wohin, ist noch früh. Und wette unterdessen: um so und so viel, daß sie in Weiß kommt, soviel, in Gelb,so viele mit dem Band, werd ihre Ohren sehen können, soviel, ohne das Band, die Haare lose, heut krieg ich sie nicht zu sehen, soviel, mit Sandalen, soviel, daß barfuß. Und wenn du gewinnst, hat Jacinto was davon, und er, warum heut soviel Trinkgeld und gestern die Hälfte. Sie haben doch das gleiche gehabt, woher soll er’s auch wissen? Weiß nichts, Sie sehen schläfrig aus, schlafen Sie nie, Don Anselmo? du: ist eine alte Gewohnheit, nicht schlafen gehen ohne Frühstück, die Morgenluft klärt das Hirn, drüben riecht alles nach Radau, Rauch und Alkohol, jetzt geh ich heim und fängt für mich die Nacht an. Und er, bald komm ich Sie besuchen, du, klar Junge, komm nur, dann genehmigen wir uns einen, hast Kredit, das weißt du ja. Aber er soll gehen jetzt, soll dich allein lassen, niemand soll sich an deinen Tisch setzen, es soll Vormittag werden, die Leute sollen kommen, eine Weiße soll zu ihr hingehen, soll sie spazierenführen, sie zur ›Estrella del Norte‹ herüberbringen und ihr ein Eis kaufen. Und dann, wiederum, die Traurigkeit, die Wut im Herzen, die Zeit hat sie nicht besänftigt. Und darum nimm den Kaffee weg, Jacinto, ein kleiner Schnaps, und danach noch einen, und endlich eine halbe Flasche von dem besonderen. Und am Mittag Chápiro, Don Eusebio, der Doktor Zevallos, man muß ihn aufs Pferd setzen, das bringt ihn bis zum Sand hinaus, die Mädchen bringen ihn dann schon zu Bett. Halt dich doch an der Montur fest, mit hängendem, nickendem Kopf durch die Dünen, plumpswie ein Sack auf die Erde, erreicht auf allen vieren den Salon, und die Mädchen, er soll gleich hier schlafen, ist zu schwer, um ihn in den Turm hinaufzuschleppen, bringt ein Becken, jetzt kotzt er, holt eine Matratze runter, zieht ihm die Stiefel aus. Und dann, herb, bitter, das Würgen, das Geschleime aus Galle und Alkohol, das Jucken der Augenlider, der Gestank, die besoffene Schlaffheit der Muskeln. Ja, sie kommt hinterrücks, am Anfang schien’s Mitleid: ist wohl erst sechzehn, das Unglück, das ihr passiert ist, die Finsternis in ihrem Leben, die Stille in ihrem Leben, ihr Gesichtchen. Versuch dir’s vorzustellen: wie’s gewesen sein muß, wie sie geschrien haben muß, das Entsetzen, das sie empfunden haben muß, und wieviel Schrecken in ihren Augen gestanden haben muß. Versuch, es zu sehen: die Leichen, das sprudelnde Blut, die Wunden, die Würmer und dann Doktor Zevallos, erzählen Sie’s mir doch einmal, kann doch nicht sein, ist ja furchtbar, da war sie aber schon ohnmächtig? wieso war sie noch am Leben? Versuch, es dir vorzustellen: zuerst Kreise in der Luft, schwarz zwischen

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