Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
einem Regen, der alles zum Verfaulen bringt, angefangen bei den Leuten.«
Zwei wilde winzige Tierchen duckten sich hinter ein paar losen Haarsträhnen und lauerten grün, feindselig. Der linke Fuß Bonifacias, nur zur Hälfte im Schuh, strengte sich von neuem an, ganz hineinzuschlüpfen.
»Aber in Santa María de Nieva gibt’s zwei Flüsse, die das ganze Jahr über Wasser haben, und reichlich«, sagte Bonifacia nach einem Augenblick sanft. »Der Piura nur ganz wenig und bloß im Sommer.«
Die Unbezwingbaren brachen in Gelächter aus, zwei zu zwei drei, drei zu zwei vier, und da wurde Bonifacia schon wütend. Schwitzend, ohne die Augen zu öffnen, dick, schaukelte Lituma bedächtig mit seinem Stuhl hin und her.
»Du kannst dich nur nicht an die Zivilisation gewöhnen«, seufzte er schließlich. »Aber wart’s nur ab, bald wirst du den Unterschied sehen. Wirst nichts mehr von der Montaña hören wollen, wirst dich schämen zu sagen, ich bin eine Selvática.«
Vier zu zwei macht fünf, fünf zu zwei macht sechs, und jetzt hatte Vetter Lituma ’s ihr aber gesagt. Der Fuß war endlich im Schuh, gewaltsam hineingezwängt, indem er brutal auf den Absatz stampfte.
»Ich werd mich nie schämen«, sagte Bonifacia. »Keiner kann sich seiner Heimat schämen.«
»Wir sind alle Peruaner«, sagte der Affe. »Warum schenkst du uns nicht noch ein Glas Algarrobina ein, Base?«
Bonifacia stand auf und ging, ganz langsam, von einem zum andern, füllte erneut ihre Gläser, hob kaum die Füße von diesem glatten Boden, den die gedemütigten wilden Tierchen von oben herab mißtrauisch betrachteten.
»Wenn du in Piura geboren wärst, würdest du nichtwie auf Eiern gehen«, lachte Lituma und machte die Augen auf. »Dann wärst du an Schuhe gewöhnt.«
»Jetzt streit nicht mehr mit der Base«, sagte der Affe. »Sonst kriegst du wieder einen Wutanfall, Lituma.«
Die goldenen Algarrobinatröpfchen fielen auf den feindlichen Boden, nicht in Josefinos Glas, und Bonifacias Mund und Nase hatten, genau wie ihre Hände, auch zu beben begonnen, aber das war keine Sünde, und sogar ihre Stimme: Gott hatte sie so geschaffen.
»Freilich ist das keine Sünde, Base, wieso auch?« sagte der Affe. »Die Mangacheweiber können sich auch nicht an hohe Absätze gewöhnen.«
Bonifacia stellte die Flasche auf ein Wandbrett, setzte sich, die wilden Tierchen beruhigten sich, und ganz plötzlich, heimlich, rebellisch, blitzschnell, befreiten sich ihre Füße, einer half dem andern, aus den Schuhen. Sie beugte sich vor, stellte sie ohne Eile unter den Stuhl, und Lituma hatte jetzt zu schaukeln aufgehört, die Unbezwingbaren sangen nicht mehr, und eine forsche, herausfordernde Erregtheit erfüllte die grünlich-dunklen Figürchen, die sich ohne Scham zur Schau stellten.
»Die kennt mich noch nicht, weiß nicht, mit wem sie sich anlegt«, sagte Lituma zu den Leóns; er erhob die Stimme: »Du bist keine Wilde mehr, sondern die Frau des Sargento Lituma. Zieh deine Schuhe an!«
Bonifacia reagierte nicht, bewegte sich auch nicht, als Lituma sich erhob, das Gesicht verschwitzt undcholerisch, wich auch der Ohrfeige nicht aus, die kurz, zischend klatschte, und die Leóns sprangen auf und warfen sich dazwischen: so schlimm war’s auch wieder nicht, Vetter. Sie hielten Lituma fest, er sollte doch nicht so sein, und schalten ihn im Scherz, sollte sein Mangacheblut beherrschen. Der Schweiß hatte die Brust und den Rücken seines Khakihemds gefärbt, so daß es nur an den Armen und um die Schultern noch hell war.
»Sie muß es lernen«, sagte er und schaukelte wieder, aber jetzt schneller, im Rhythmus seiner Worte. »In Piura kann sie sich nicht wie eine Wilde aufführen. Und außerdem, wer bestimmt im Haus?«
Die Tierchen spähten zwischen Bonifacias Fingern hervor, waren fast unsichtbar, weinerlich? und Josefino schenkte sich ein wenig Algarrobina ein. Die Leóns setzten sich, Liebe ohne Prügel gibt’s nicht, hieß es, und die Cholas aus Chulucana: mein Mann, je mehr er mich haut, desto mehr liebt er mich, aber in der Montaña dachten die Frauen darüber vielleicht anders, und eins zwei und drei, die Base sollte ihm verzeihen, sollte sie doch ansehen, sollte doch wieder gut sein, ein bißchen lächeln, hm? Aber Bonifacia hielt ihr Gesicht verborgen und Lituma stand auf, gähnte.
»Ich werd ein Schläfchen machen«, sagte er. »Bleibt ruhig noch, trinkt die Flasche aus, nachher gehen wir noch aus.« Er blickte schräg auf Bonifacia, modulierte mannhaft die
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