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Das gruene Zelt

Das gruene Zelt

Titel: Das gruene Zelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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Gehalt, seinen Vorgesetzten und seinem Familienleben.
    Der unangenehmste Teil seiner Arbeit waren die Leute, die er vernehmen musste, aber auch zu ihnen bemühte sich Safjanow um ein möglichst gutes Verhältnis. Was bei weitem nicht immer gelang.
    Den für diesen Tag vorgeladenen Melamid hatte er von einem Kollegen übernommen, der befördert worden war. Der Hauptmann hatte die umfangreiche Akte dieses Michej Melamid studiert und war verärgert: Den Papieren nach zu urteilen war das ein erfahrener Mann, mit dem würde er sich lange abplagen müssen.
    Der erfahrene Mann kam pünktlich, keine Minute zu spät, und sah aus wie ein Spatz: dünner Hals, das gelblich-rote Haar stand in Büscheln ab, die Wangen waren so mit Stoppeln bedeckt, dass es schon nach einem beginnenden Bart aussah. Auf den Fotos trug er keinen Bart.
    Es muss ein neues Foto in die Akte, entschied Safjanow.
    Der Hauptmann holte weit aus, erinnerte Micha an die Verpflichtungserklärung, fragte nach seiner Arbeit und seinen weiteren Plänen, dann schlug er überraschend zu.
    »Kennen Sie Aische Mustafowna Usmanowa?«
    Aber dieser Melamid schaltete auf stur, leugnete und verneinte alles. Genauso hatte er sich auch beim letzten Verhör verhalten, bei der Gegenüberstellung mit Tschernopjatow, das ging aus der Akte hervor. Anderthalb Stunden redeten sie um den heißen Brei herum, dann zog Safjanow, als erster erschöpft von dem zähflüssigen Gespräch, aus einer gesonderten Mappe ein mit ausländischen Stempeln verziertes Blatt Papier hervor und sagte mit gespielter Enttäuschung:
    »Tja, Michej Matwejewitsch, ich sehe, Sie haben nicht das geringste Interesse, uns bei unserer Arbeit behilflich zu sein, und das ist sehr traurig. Wir haben uns über Sie beraten, Ihre Lage bedacht und entschieden, dass wir Ihnen keinerlei Hindernisse in den Weg legen würden, sollten Sie Ihrerseits beschließen, unser Land zu verlassen. Sie gehören nicht zu uns, Michej Matwejewitsch. Was allerdings ein wenig verwundert: Ihr Vater ist an der Front gefallen, Sie dagegen haben keinerlei Respekt …« Das Weitere kostete Safjanow einige Überwindung. »Kurz, ich will Ihnen nicht verhehlen, für Sie und Ihre Familie gibt es eine Einladung aus dem Staat« – hier machte er eine vielsagende Pause, räusperte sich und sprach voller Abscheu weiter – »Israel.« So, wie er das Wort betonte, klang es bedrohlich.
    »Von Ihrem Verwandten Marlen Kogan – der ist Ihnen bekannt? Zwecks Familienzusammenführung lädt er Sie samt Frau und Tochter ein. Hier, lesen Sie.«
    Er reichte Micha das wunderschöne Papier. Micha nahm es in die Hände und hielt es sich dicht vor die Nase. Die Einladung war drei Monate alt. Sie hatte also irgendwo bei der Meldestelle oder beim KGB herumgelegen, und nun hatten sie beschlossen, sie einzusetzen.
    »Sie ist abgelaufen, Genosse Hauptmann«, bemerkte Micha.
    »Nun, das liegt ganz in unserer Hand. Wir können sie auch verlängern.« Er klopfte auf das Telefon. »Das liegt in unserer Hand … Wir hätten keine Einwände. Und Sie sollten es sich gut überlegen. Sie haben nämlich so einiges zu bedenken. Sie halten Ihr Wort nicht – Sie haben sich verpflichtet, derartige Aktivitäten zu unterlassen. Und was sehen wir? Sie beherbergen unerwünschte Personen, unterlaufen die Meldepflicht, besuchen Sacharow, und der schickt Schmähschriften ins Ausland. Sie empfangen ausländische Korrespondenten bei sich – wer hat Ihnen das alles erlaubt? Reisen Sie aus! Das ist besser für Sie! Wenn wir ein Verfahren eröffnen, kommen Sie diesmal nicht mit drei Jahren davon, Michej Matwejewitsch. Was zögern Sie noch? Ihre Leute wollen doch alle nach Israel! Für ein solches Angebot würde mir jeder andere die Hände küssen! Gut, gut, überlegen Sie es sich! Viel Zeit geben wir Ihnen nicht zum Nachdenken, aber drei Tage sollen Sie haben. Reisen Sie nicht aus, sperren wir Sie ein. Obwohl – es gibt auch andere Möglichkeiten … Hier, nehmen Sie Stift und Papier und schreiben Sie ein freimütiges Geständnis: über Ihren Kontakt zu den Tataren, über Mustafa Usmanow, über diese Aische, über Ihren Besuch bei Sacharow und was Sie da gemacht haben, und darüber, was Robert Kulawik bei Ihnen wollte, dieser falsche Amerikaner, der Polacke. Ausführlich, ganz in Ruhe, gleich hier, und dann gehen wir bestimmt in Frieden auseinander. Versprechen kann ich das natürlich nicht. Aber wir werden uns bemühen. Wenn Sie sich bemühen, tun wir es auch.«
    Er wischte sich die rote

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