Das gruene Zelt
Füchsin lange getobt und darauf bestanden, dass sie sich sofort die Haare wusch, um die Locken und gleich auch den Lack rauszuwaschen. Schura verbrauchte eine ganze Flasche des ausländischen Shampoos ihrer Schwester, und nun waren ihre Haare so sauber wie noch nie im Leben und fielen so auseinander, dass sie mit Spangen und Haarnadeln nicht zu halten waren. Darum griff sich Schura fortwährend in ihren rötlichen Schopf und entblößte dabei die Schweißflecke unter den Achseln auf ihrem weißen Kleid. Ihr Gesicht war erhitzt wie nach der Sauna. Kein Wunder – sie hatte ja bis eben am Herd gestanden.
Wieder ertönte die durchdringende, metallisch nachhallende Stimme der Füchsin:
»Na los, gießt ein! Schenkt ein! Artur, was sitzt du da wie angenagelt? Steh auf, Bräutigam! Wer sagt ein paar Worte? Sergej Borissowitsch, Sie sind unser Oberhaupt!«
Ein kleiner, schmalbrüstiger Mann um die fünfzig mit einer Brille und unzufriedener, konzentrierter Miene wehrte ab.
»Du hast uns allen diese Komödie eingebrockt, nun löffle sie auch selber aus!«
»Wer ist das?«, fragte Olga.
»Tschernopjatow. Bei ihm läuft vieles zusammen. Ein unbeugsamer Mann. Er hat seit seinem vierzehnten Lebensjahr in Lagern gesessen, das erste Mal war er noch Schüler. Ich erzähl dir später von ihm.«
Die Füchsin winkte unwillig ab.
»Na schön! Ist schließlich meine Hochzeit! Mein Mann heiratet meine Schwester.«
Mit einer kurzen Handbewegung bedeutete sie ihrer Schwester, sie solle Platz machen. Schura stand auf, und die Füchsin sprang auf den Stuhl. Sie war abenteuerlich gekleidet: weiße Seidenbluse, darüber ein schwarzer Spitzen-BH, unter der Bluse schauten kurze Shorts hervor. Sie stand recht unsicher, denn die Stuhlbeine wackelten auf dem unebenen Boden, und schwankte auf ihren hohen Absätzen. Der leichte Wind zauste an ihren wirren Haarsträhnen. Artur hielt sich bereit, die Rednerin aufzufangen. Auf der anderen Seite stand Schura mit ausgebreiteten Armen, beunruhigt vom unsicheren Stand ihrer Schwester. Sie ahnte gar nicht, wie unsicher er war, dieser Stand: Plötzlich offenbarte sich, dass die Füchsin stockbetrunken war!
»Na los, her damit! Champagner!«
Jemand reichte ihr dienstfertig ein Glas, sie erhob es und kreischte:
» Gorko! 7) «
7) Mit dem Ruf gorko (dt. bitter) wird das Brautpaar aufgefordert, sich zu küssen, um das Festmahl zu versüßen. Anm. d. Ü.
Artur fing sie auf, sie umklammerte seinen Hals und küsste ihn ab: auf die Glatze, auf die Wange, auf die Nase – bis sie seine Lippen erreichte und sich an dem völlig ungerührten König festsaugte.
»Ich verheirate meinen geliebten Mann! Mit meiner geliebten Schwester! Mascha! Wo ist meine Nichte? Komm her, Mascha! Ich hab dir einen Papa verschafft!«
Mascha stand bereits neben ihrer Mutter, und ihre Miene verhieß nichts Gutes.
Krach, zumindest etwas Bedrohliches lag in der Luft.
Olga schaute wie gebannt zu. Und bemerkte gar nicht, dass Ilja verschwand. Nach ein paar Minuten tauchte er zusammen mit einem der Grilljungen wieder auf, die Hände voller Schaschlikspieße.
Die Füchsin riss ihm einen Spieß aus der Hand und gab ihn Artur.
»Schura! Pass mir ja auf, du Schlampe! Der erste Bissen ist immer für ihn! Mascha! Das gilt auch für dich! Wehe, wenn nicht, dann kratz ich euch die Augen aus!«
Aber Schura musste niemandem die Augen auskratzen – sie waren ohnehin voller Tränen, sie wäre am liebsten in den Erdboden versunken, stand aber vor Verwirrung da wie angewurzelt. Ilja verteilte die Spieße, und das Schaschlik lenkte die Aufmerksamkeit von der wichtigsten Hochzeitszeremonie ab, vom Hochzeitskuss.
»Iljuscha, sie ist ein unverschämtes Luder!«, empörte sich Olga, als Ilja mit dem Schaschlik zu ihr kam.
»Ja, natürlich ist sie ein Luder. Aber ein geniales Luder! Sie hat den König aus dem Gefängnis geholt, in die Psychiatrie geschafft und seine Demobilisierung organisiert. Manche Leute hat sie dafür bezahlt, mit anderen hat sie geschlafen. Sie ist seinetwegen Juristin geworden. Nein, im Ernst, sie hat ein Abendstudium in Jura absolviert. Du kannst dir nicht vorstellen, was sie alles macht. Ich hab ja erst sie kennengelernt und durch sie den König. Sie kommt aus dem Fernen Osten, ihr Vater ist Jäger. Sie hat ihn von klein auf in die Taiga begleitet. Und säuft wie ein Kerl. Das Weib ist aus Eisen, nur unterm Rock ist sie ein bisschen schwach. Und der König ist impotent, doch das wird sie gleich selber
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