Das Gurren der Tauben (German Edition)
schloss
das Gitter auf, n ä herte sich mir z ö gerlich und legte die Handschellen eng um meine Handgelenke.
“ Erst mal ins
Bad! ” , befahl H ä hnchen.
Sie brachten
mich zur Badezelle im Isolationsbereich und schlossen mich dort ein. Nach einer
Weile wurde ich wieder herausgeholt. Vor meiner Zelle musste ich mich mit dem
Gesicht zur Wand stellen und die Arme heben.
“ Beine
auseinander! ” , schrie Rotb ä ckchen und trat
mir in die Kn ö chel. Dann
tastete er mich ab und stie ß mich zur ü ck in meine
Zelle. “ In 10 Minuten
herrscht hier drin wieder absolute Ordnung! ” , sagte er bevor er die T ü r zumachte.
Ich setzte mich
auf meinen Hocker und starrte vor mich hin. Die Handschellen trug ich immer noch.
Wenn die dachten, ich w ü rde mit gefesselten H ä nden aufr ä umen, waren sie schief
gewickelt!
Ein paar Minuten
sp ä ter wurde wieder
aufgeschlossen. Ich blickte nicht auf. “ Rausholen! ” , h ö rte ich H ä hnchens Stimme.
Zwei Arme
zerrten mich hoch. Dann wurde ich aus der Zelle geschubst und drau ß en an ein Gitter
gekettet. Etwa ein Dutzend W ä rter hatten sich vor meiner Zelle versammelt.
Als Rotb ä ckchen mich
wieder losmachte, dr ü ckte er die Handschellen noch ein paar Zacken enger und schubste mich zur ü ck in meine
Zelle. Sie war komplett leer ger ä umt, sogar das Toilettenpapier fehlte. Gitter und T ü r wurden
zugeschlagen und abgeschlossen.
Der Tag verging.
Niemand kam vorbei um mir die Handschellen abzunehmen. Um 20 Uhr wurde das
Licht ausgeschaltet. Ich hatte weder Matratze noch Decke.
Als sich meine
Augen an die Dunkelheit gew ö hnt hatten, ging ich f ü r ein paar Stunden hin und her – dreieinhalb Schritte hin und dreieinhalb Schritte
zur ü ck. Irgendwann
wurde ich m ü de und versuchte
im Sitzen zu schlafen. Doch nach einer Weile wurde mir kalt. Also begann ich
wieder hin und her zu tigern. Dabei verfluchte ich Rotb ä ckchen und H ä hnchen. Nicht f ü r eine Sekunde,
bereute ich, was ich getan hatte. Auf eine Art war Rotb ä ckchen zwar der Gewinner,
doch f ü r mich war
wichtig, dass ich mich gegen seine Willk ü r zur Wehr gesetzt hatte.
Am n ä chsten Tag bekam
ich zu den ü blichen Zeiten
meinen Kaffee und mein Essen. Allm ä hlich wurde mir klar, was die vorhatten. Die Sache war am
Freitag passiert und nun wollten sie mich ü bers Wochenende schmoren lassen. Kein Problem! Noch zwei
harte Tage und N ä chte. Ich hatte schon ganz andere Situationen durchgestanden.
Am Sonntag hatte
ich sogar Gl ü ck, denn mein
Brot war in eine Serviette eingewickelt. Da hatte ich das dringend ben ö tigte
Toilettenpapier. Und obwohl meine H ä nde gefesselt waren, kam ich klar!
Mit meiner
Annahme lag ich richtig. Am Montagmorgen stand H ä hnchen auf der Matte. Er nahm mir die Handschellen
ab und sprach mir 21 Tage Arrest aus, was bedeutete, dass die Zelle leer ger ä umt blieb, ich
mein Bettzeug um 19 Uhr bekam und morgens um drei die Nachtruhe vor ü ber war.
Ich durfte mich
waschen und bekam saubere Unterw ä sche. Direkt nachdem mir am Abend das Bettzeug reingegeben
wurde, legte ich mich hin. Nach 72 Stunden hin und her gehen und h ö chstens f ü nft Stunden D ö sen im Sitzen,
war ich todm ü de.
In den drei
Wochen gab es keine Vorkommnisse. Abgesehen von den Schikanen wenn Rotb ä ckchen Dienst
hatte – sp ä ter ins Bett und
fr ü her aufstehen – , musste ich nur
mit der K ä lte klarkommen.
Doch kalt w ä re es auch
gewesen, wenn ich keinen Arrest gehabt h ä tte.
Als die Zeit um
war, bekam ich mein Bettzeug, die Toilettenartikel und das Arbeitsmaterial zur ü ck. H ä hnchen
informierte mich dar ü ber, dass das Paket, das ich vor dem Zwischenfall beantragt hatte,
angekommen sei. Er fragte, was ich davon haben wolle. Ich listete die Sachen
auf und gab ihm meinen Einkaufsbeutel.
Als ich am n ä chsten Tag von
der Freistunde zur ü ckkam, lag der Beutel auf meinem Tisch. Ich war ü berrascht, dass
er alles enthielt, was ich bestellt hatte, denn H ä hnchen liebte es Spielchen zu spielen. Entweder
fehlte die H ä lfte oder der
Beutel kam erst Tage sp ä ter nach mehrmaligem Nachfragen.
Doch da war noch
etwas anderes in dem Beutel – eine Karte vom Nordwesten der DDR. Boizenburg, der Ort an dem Andreas und
ich bei unserem Fluchtversuch verhaftet wurden, war rot markiert. Ich hatte
keine Ahnung wie die Karte in den Einkaufsbeutel gekommen war. Das hei ß t, nat ü rlich wusste
ich, dass H ä hnchen sie dort
hinein getan hatte. Aber warum? Die Karte
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