Das Gurren der Tauben (German Edition)
F ü r die meisten
Gefangenen war ich ein zwei Meter gro ß er und 100 Kilo schwerer Psychopath, der zwei Polizisten
get ö tet hatte. Ich w ü rde unter
extremen Sicherheitsma ß nahmen in Ketten gehalten, weil ich mit meinen barbarischen Kr ä ften schon
mehrere T ü ren ausgehoben h ä tte. Als ich das
h ö rte, wurde mir
klar, warum ich aus der W ä schekammer immer so gro ß e Klamotten bekam.
Tommy hatte 15
Jahre wegen versuchten Terrors in Tateinheit mit versuchter Republikflucht. Er und
zwei Freunde wollten einen Bus auf der Transitautobahn kapern und ihren Weg
nach Westdeutschland erzwingen. Jemand hatte sie verraten. Er war 35 und hatte
f ü nf Jahre von
seiner Strafe abgesessen.
Tommy lie ß sich ü ber den neuen
VZD aus. Der Mann schickte die Leute in den Arrest, nur weil sie die Sachen auf
der Spiegelkonsole nicht in der von ihm geforderten Reihenfolge aufgestellt
hatten. Einmal h ä tte er einen Gefangenen mit den Worten angesprochen: “ Strafgefangener
M ü ller! Wie ist
Ihr Name? ”
Ich lachte laut,
als Tommy die Stimme des Idioten imitierte. Nach einer Stunde k ü ndigte das Schl ü sselklappern die
R ü ckkehr der W ä rter an und wir
verabschiedeten uns bis zum n ä chsten Dienstag.
Meine
Augenschmerzen wurden schlimmer und auch die Schwierigkeiten beim Lesen. Ich
meldete mich zum Augenarzt. Der W ä rter, der meine Arztmeldung entgegennahm, sagte, der
Augenarzt sei gerade erst da gewesen und w ü rde nicht extra wegen eines Patienten wiederkommen. Au ß erdem sei
Ferienzeit. Das alles klang f ü r mich nicht logisch, doch ich konnte nichts dagegen tun.
Am folgenden
Dienstag sprach ich ein letztes Mal mit Tommy. Er sollte am n ä chsten Tag
wieder auf sein Kommando verlegt werden. Ich war traurig, denn die Gespr ä che mit ihm
hatten mir viel gegeben.
Schon bald
sollte ich den neuen VZD kennenlernen und herausfinden, dass Tommy nicht ü bertrieben
hatte. Eines Nachmittags als ich von der Freistunde einr ü ckte, sah ich
einen mir unbekannten Offizier. Ich blickte kurz zu ihm auf und gr üß te.
Im Gesicht des
Mannes machte sich Entr ü stung breit, als ob er meinen Gru ß als ungeheure Frechheit empfand. Er wurde puterrot und “ plusterte ” sich irgendwie
auf. “ Guten Tag! ” presste er
hervor.
Mir war sofort
klar, dass dieser Oberleutnant nur der neue VZD sein konnte. Als ich in meiner
Zelle war, lachte ich ü ber dieses Gehabe. Doch das Lachen sollte mir bald vergehen, denn H ä hnchen war die
gr öß te Nervens ä ge, mit der ich
es je zu tun hatte. Ü ber die n ä chsten Wochen ” organisierte er
alles um ” , was mich
betraf. Die Resultate sah ich, wenn ich von der Freistunde zur ü ck in meine
Zelle kam.
Zuerst waren
meine B ü cher und mein
Schreibzeug weg. Eines Tages waren die Federn in meinem Bett durch eingeschwei ß te Bleche
ersetzt. Ich fand mein Rasierwasser in eine Plastikflasche umgef ü llt und meine
Rasiercreme in eine Butterdose geschmiert. Mein Aluminiumbesteck wurde durch
Plastikbesteck ersetzt und mein Rasierapparat war weg. Fortan, durfte ich mich
nur noch unter Aufsicht eines W ä rters rasieren. Meine Milch musste ich vor den Augen der W ä rter aus der
Glasflasche in eine Plastiktasse umf ü llen ...
Irgendwann
reichte es mir und ich verlangte, den f ü r mich zust ä ndigen Offizier zu sprechen. Niemand lie ß sich blicken.
Am n ä chsten Tag
verweigerte ich die Essenannahme und wiederholte meine Forderung.
Schlie ß lich kam H ä hnchen um sich
nach meinem Problem zu erkundigen. Als ich ihm sagte, dass er mein Problem sei,
kl ä rte er mich dar ü ber auf, dass
ich wegen der ungew ö hnlichen Schwere meiner Tat und des Urteils das sich daraus ergab, extrem
selbstmordgef ä hrdet sei. Deshalb
k ö nne er nicht
anders. Ich durfte weder mit Glas noch Metall in Ber ü hrung kommen.
Was B ü cher und
Schreibzeug betraf, so musste er die Angelegenheit erst “ pr ü fen ” .
Einige Tage sp ä ter wurde mir
mitgeteilt, dass die Freistunde aus vollzugstechnischen Gr ü nden f ü r die n ä chste Zeit
ausfallen w ü rde. An den
folgenden Vor- und Nachmittagen war immer Bewegung im Flur direkt vor meiner
Zelle. Als ich nach einer Woche wieder zur Freistunde gehen konnte, stand da
eine neue Wand direkt neben meiner Zellent ü r. H ä hnchen hatte mir ein weiteres Hindernis in den Weg gestellt, falls ich
meine Zellenwand, die nur einen Meter dick war, durchbrechen w ü rde. Der Mann
war definitiv krank!
Ab sofort
mussten die W ä rter den ODH via
Sprechfunk
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