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Das Gurren der Tauben (German Edition)

Das Gurren der Tauben (German Edition)

Titel: Das Gurren der Tauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Schneider
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ins Zellenhaus. Es kam mir
riesig vor. Alles war offen. Ich konnte bis zum vierten Stock hinaufschauen. Da
war eine Zellent ü r neben der anderen.
    Aber das waren
nur Momentaufnahmen. Auf Grund meiner Kurzsichtigkeit konnte ich ohnehin nicht
allzu viel erkennen. Abgesehen davon, passten die W ä rter auf, dass
ich nicht zu genau hinschaute.
    Durch einen
Vorraum, ging es in das Behandlungszimmer. Der Augenarzt sa ß hinter einem
Schreibtisch. "Strafgefangener Baganz meldet sich an! Guten morgen!",
sagte ich.
    Der Arzt gr üß te freundlich zur ü ck und zeigte
auf den Stuhl neben sich. W ä hrend ich dort Platz nahm, verteilten sich die W ä rter im Raum.
Zwei weitere waren im Nebenzimmer.
    Ich erkl ä rte dem Arzt
mein Problem. Er untersuchte meine Augen und f ü hrte einen Sehtest durch. Ich hatte einen Wert von
minus 1,9 Dioptrien, was seiner Meinung nach nichts war, wor ü ber ich mir
Sorgen machen m ü sse.
    Der Mann war
ausgesprochen freundlich. Ich war seit Jahren nicht mehr so behandelt worden.
    Auf meine Frage,
warum er mich nie hatte holen lassen, sagte er, dass er immer eine Liste mit
den Gefangenen bekommt, die sich gemeldet hatten. Mein Name sei nie auf dieser
Liste gewesen ...
    Ich unterdr ü ckte meine Wut.
    Er verschrieb
mir Augentropfen gegen die Schmerzen und sagte, dass der Optiker die Brille in
zwei Wochen fertig h ä tte. Dann gab er mir noch ein paar Tipps zur Augenschonung und wir verabschiedeten
uns. Ich war gl ü cklich, seit langem wieder mal mit einem netten Menschen gesprochen zu
haben.
    Wie versprochen,
kam die Brille zwei Wochen sp ä ter. Die Gl ä ser waren in einem h ä sslichen Gestell, doch das war mir egal. Sie tat meinen Augen unwahrscheinlich
gut. Ich konnte wieder klar sehen und die st ä ndige Spannung in den Augen verschwand. Nur das z ä hlte.
    Blieb noch der
Haftstaatsanwalt. Es waren Monate vergangen, seit ich H ä hnchen diesbez ü glich
angesprochen hatte. Als ich das Thema bei einem seiner Kurzbesuche zur Sprache
brachte, reagierte er gereizt und sagte, dass ich nicht der einzige Gefangene
sei und gef ä lligst die Zeit
abwarten soll.
    Wieder Sommer.
Ich wollte kein sechstes Jahr in Einzelhaft verbringen und dachte dar ü ber nach, was
ich noch tun k ö nnte, um meine
Situation zu verbessern. Ein Besuch von meinen Eltern stand bevor. Vielleicht
konnten sie mir helfen? Sie k ö nnten sich an eine h ö here Stelle mit der Bitte um Aufhebung der Einzelhaft wenden. Doch das war
nicht so einfach, da ich nicht ü ber meine Unterbringung sprechen durfte.
    Was, wenn ich
diese Regel missachtete? Der Besuch w ü rde abgebrochen werden und meine Eltern m ü ssten das Zeug,
das sie f ü r mich
mitgebracht hatten, wieder mitnehmen. Doch auf die Geschenke, w ü rde ich
verzichten k ö nnen. Und was
den Abbruch betraf, so konnte ich das, was ich zu sagen hatte, erst im
allerletzten Moment sagen. H ä hnchen w ü rde freilich aus
der Haut fahren und mir wieder Arrest aufbrummen. Doch das war mir egal.
    Ich hatte die
Nase gestrichen voll von der Einzelhaft. Ein weiteres Jahr und ich w ä re reif f ü r die Klapse.
Mir blieb keine andere Wahl. Ich war entschlossen, die Sache beim n ä chsten Besuch
durchzuziehen.
    Ich hatte den
Haftstaatsanwalt l ä ngst aufgegeben. Doch eines Tages ging meine Zellent ü r auf und da
stand ein Zivilist. Ich dachte sofort an die Stasi, als ich den grauen Anzug
sah.
    “ Ist es hier
nicht ü blich Meldung zu
machen? ” , sagte der Mann
in strengem Ton.
    “ Verwahrraum 1/32
belegt mit Strafgefangenem Baganz. Keine Vorkommnisse ” , spulte ich
herunter.
    Er stellte sich
als Haftstaatsanwalt vor und fragte nach meinem Anliegen.
    “ Es geht darum,
dass ich seit fast f ü nf Jahren in Einzelhaft und Isolation gehalten werde und bei allen
Bewegungen au ß erhalb der Zelle
Handschellen tragen muss. Das kann –”
    Der
Haftstaatsanwalt fiel mit ins Wort und begann zu reden – minutenlang,
ununterbrochen. Dabei erkl ä rte er, dass die Art meiner Unterbringung voll und ganz im Einklang mit den
entsprechenden DDR-Gesetzen stehe.
    Ich wollte ihn
unterbrechen, doch er gab mir keine Chance etwas zu sagen. Stattdessen zitierte
er Paragrafen, die sagten, dass Einzelunterbringung in Verbindung mit strengen
Sicherheitsma ß nahmen in
bestimmten F ä llen ü ber einen
unbestimmten Zeitraum angewandt werden k ö nne. Er beendete seine Rede mit den Worten: “ Momentan ist es
nicht m ö glich die
Einzelunterbringung und die damit verbundenen Sicherheitsma ß nahmen

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