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Das Gutachten

Das Gutachten

Titel: Das Gutachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sina Cartier
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Sie hat bei ihrer
Festnahme einen Kollegen verletzt, daher besteht aktuell noch
Handschellen-Pflicht außerhalb ihrer Zelle.«
    Er führte Sandra in den
Raum und schob sie auf einen bequemen Stuhl gegenüber von dem wuchtigen
Schreibtisch.
    Bei dem Ausdruck
»Handschellen-Pflicht« blitzten Dr. Renns Augen einmal kurz auf, doch er ließ
es sich nicht anmerken. Ein ganz leichtes Lächeln huschte über sein markiges
Gesicht, doch auch dies dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, so dass es
weder von Sandra noch von dem Wachmann bemerkt wurde.
    »Ich hole die Gefangene
dann in einer Stunde wieder ab, Herr Doktor.«
    »Patientin, bitte, - ich
bevorzuge in diesem Raum den Ausdruck Patientin«, entgegnete Dr. Renn und
lächelte diesmal deutlich. Er hatte einen selbstbewussten, vielleicht etwas
arroganten, aber nicht unangenehmen Zug, als er Sandra musterte.
    »Meinetwegen hier im Raum
‚Patientin‘. In dem Moment, wenn wir auf dem Flur sind, ist sie aber für mich
wieder eine Gefangene.« Der Beamte nickte noch einmal beiden zu und ging
hinaus.
    Dr. Renn brachte ihn zur
Tür und drehte unauffällig den Schlüssel, während er die Tür schloss. Dann
wandte er sich Sandra zu.
    »Wissen sie, wer ich bin
und warum sie hier sind?« fragte er freundlich.
    Sandra versuchte,
möglichst gelangweilt zu wirken: »Irgendein Psychodoc, der irgend so einen Bericht
über mich schreiben soll.«
    Dr. Renn lächelte milde.
»Nun, ein ‚Psychodoc‘ bin ich wirklich. Aber ich soll nicht ‚irgend so einen Bericht‘
schreiben. Frau Kaminski, ich ... kann ... ihnen ... helfen.« Er sprach
langsam, Wort für Wort und blickte Sandra dabei beinahe hypnotisch an.«
    »Niemand kann mir helfen!«
Sandra blickte trotzig zurück, konnte aber seinem Blick nicht standhalten. Dr.
Renn hatte stahlblaue Augen, die gut zu seinem männlichen Gesicht passten. Er
war etwa Mitte bis Ende vierzig, schon ziemlich ergraut und trug  einen
Drei-Tage-Bart, der ihn jünger aussehen ließ.
    Schon wieder lächelte Dr.
Renn, als er aufstand und im Raum herum lief, während er sprach.
    »Sie und ihr Komplize
haben unschuldige, angesehene Männer erpresst. Sie wollten etwas abhaben vom
Kuchen, den sich diese Herren durch harte Arbeit verdient hatten. Dabei haben
sie Ehen, ja ganze Familien zerstört. Ich habe ihre Akte gelesen, Frau
Kaminski, das waren keine kleinen Jugendsünden. Das war organisierte
Kriminalität im großen Stil. Hauptkommissar Haber sagte mir, er könne noch gar
nicht abschätzen, wie hoch die Dunkelziffer in ihrem Fall ist, weil sich sehr
viele Opfer in so einem fiesen Erpressungsfall gar nicht bei der Polizei
melden. Er vermutet, aktuell nur die Spitze vom Eisberg zu kennen.«
    Sandra verdrehte ihre
Augen »Ich habe doch meine Aussage schon gemacht. Ganz ausführlich. Mit meinem
Anwalt. Ich weiß gar nicht, was ich hier noch soll.«
    »Ja, ja, sie haben eine
Aussage vor dem Untersuchungsrichter gemacht. Es war auch klug von ihnen, den
Rat ihres Anwalts anzunehmen und auszupacken. Aber darum geht es hier gar
nicht.
    Die Aussage, die sie
gemacht haben, ist für meine Arbeit mehr oder weniger belanglos. Das ist wie
der Wetterbericht im Fernsehen: Wenn sie im warmen Wohnzimmer sitzen und hören,
draußen sei es -5 Grad – wird ihnen in dem Moment kälter? Nein, das sind nur
nüchterne Fakten, die nichts mit dem zu tun haben, wie man es wirklich
empfindet. Und genauso verhält es sich mit ihrer Aussage. Sie haben den
ermittelnden Beamten und dem Haftrichter nur gesagt, was sie getan haben. Meine
Aufgabe wird es sein, herauszufinden, warum sie es getan haben.«
    Er war die ganze Zeit
durch den Raum geschritten und hatte sich erst bei dem letzten Satz wieder
Sandra zugewandt und sie durchdringend angeschaut.
    »Und deshalb, nochmal,
kann ... ich ... ihnen ... helfen.
    Nehmen wir an, ich komme
zu dem Schluss, dass niedere Beweggründe wie reine Geldgier, sie dazu gebracht
haben, sich mit älteren, verheirateten Männern zu treffen und diese in eine pikante
Situation zu bringen. Diese Situation wird dann gefilmt und fotografiert und
die Männer, oder sollte ich sagen ‚Opfer‘?, werden mit dem für sie peinlichen
Material erpresst.
    Wie viel haben sie den
geilen Böcken abgeknöpft? 1.000? 5.000? 10.000 Euro??
    Nun, wie eingangs schon
gesagt, die Ermittler kennen vermutlich nur die Spitze vom Eisberg. Aber das
soll hier auch keine Rolle spielen.
    Es könnte ja sein, dass
ich zu dem Schluss komme, dass sie nicht Täter, sondern selber Opfer

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