Das Gutachten
Umgang
mit Sex.
Egal wie bizarr er
ausgeführt wird, wenn die Menschen sich und den Partner verstehen, und nicht
nur ‚begreifen‘.«
Seine Hände malten zwei
Anführungsstriche in die Luft und er setzte erneut sein wissendes Lächeln auf.
»Tiefes Verständnis der eigenen Wünsche und der Bedürfnisse des Gegenübers
sorgt für echte Lust und wirkliche Erfüllung.
Und das ist es doch, nach
dem sie seit ihrer frühesten Jugend suchen.«
Er war wieder aufgestanden
und strich Sandra mit dem Handrücken über die Wange. So leicht, dass es schon
wieder fast elektrisierend war. Sein Blick bohrte sich in ihren Kopf, seine
sensiblen, beinahe zärtlichen Worte standen in keinem Widerspruch zu der
männlichen, kraftvollen Ausstrahlung, die dieser Mann versprühte. Selbst die
minimale Berührung ihres Gesichtes löste in ihr ein stärkeres Gefühl aus als
die vielen schnellen Nummern, die sie in ihrem noch relativ kurzen Leben gehabt
hatte.
Dr. Renn schaute auf die
Uhr. »Unsere erste Sitzung wird gleich durch das Klopfen des Beamten beendet
werden. Lassen sie das, was ich ihnen gesagt habe, auf sich wirken. Wir sehen
uns übermorgen wieder und beginnen dann mit der eigentlichen Therapie. Ich
verspreche ihnen, dass sie dann mehr zu Wort kommen werden, viel mehr.«
Und tatsächlich klopfte es
mit den letzten Worten und Dr. Renn öffnete die Tür.
»Sehen sie«, sagte er
lächelnd zu dem Beamten, »ich bin völlig unversehrt geblieben, dank ihrer
Handschellen.«
Ein letztes Mal blickte er
Sandra in die Augen, während sie wortlos aus dem Raum geführt wurde.
Kapitel 25
»Ich freue mich, sie
wiederzusehen!« Dr. Renns Händedruck war kräftig, aber angenehm.
Er sah den begleitenden
Beamten fragend an »Die Handschellenpflicht ...?«
»... wurde noch nicht
aufgehoben. Anscheinend hat unser kratzbürstiges Fräulein ihre Krallen immer
noch nicht im Griff. Kommissar Haber hat es angeordnet.«
Dr. Renn nickte. »Also
gut. Danke. In einer Stunde können sie die Patientin wieder abholen.«
Er verschloss die Tür
sorgfältig und blickte stumm auf Sandra, die auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch
Platz genommen hatte. Er ließ ihr ein wenig Zeit, um sich an den Raum wieder zu
gewöhnen. Sandra musterte in Ruhe die Gegenstände in dem Zimmer. Bei ihrem
ersten Besuch hatte sie die ganze Situation wie durch einen grauen Schleier
wahrgenommen und gar nicht auf die Details geachtet: der wuchtige Schreibtisch
mit Unmengen an Papieren, einem Laptop und ein Telefon, das riesige
Bücherregal, vollgestopft mit wissenschaftlichen Bänden und Zeitschriften, die
Ledercouch an der Wand mit einem kleinen Glastisch daneben und die beiden
großen Fenster mit hellgrauen Jalousien.
Nur die Fenster waren
Sandra in echter Erinnerung geblieben. Fenster, die man öffnen konnte, kamen
ihr in den vergangenen Tagen wie seltene Luxusobjekte vor. An den Wänden hingen
großformatige Schwarzweiß-Fotografien von Landschaften und Gebäuden, eher
abstrakt, aber sehr geschmackvoll.
»Gefallen ihnen die
Bilder? Die habe ich selber fotografiert.«
»Schon, aber warum sind
sie in Schwarzweiß? Ein bisschen Farbe würde dem Raum hier eigentlich ganz gut
tun.« Sandra war aufgestanden und vor einem Bild mit einem großen Olivenbaum
stehengeblieben.
»Mir gefällt die
Reduzierung auf das Wesentliche. In Schwarzweiß wirken die Formen, der
Betrachter konzentriert sich auf das Wesen der Motive. Farben lenken häufig ab,
blenden uns mit billigen Effekten. Glauben sie wirklich, dieser Baum hätte mit
seinen blaugrünen Blättern vor dem hellblauen Himmel die gleiche Wirkung?«
Sandra überlegte ihre
Antwort genau. »Aber die Welt besteht nicht nur aus schwarz und weiß. Es gibt
doch Millionen von Farben. Sie auszublenden heißt doch, auf etwas Wichtiges zu
verzichten.«
»Guter Einwand.« Renn
nickte anerkennend. »Aber wenn sie sich das Bild ganz genau anschauen, werden
sie feinste Graustufen erkennen. Graustufen, die mehr ausdrücken können als so
manche Farbe. Aber ich gebe ihnen recht, es gibt Bilder, die gefallen mir in
Farbe auch viel besser. Vielleicht bringe ich ihnen demnächst mal welche mit.«
Sandra entspannte sich
merklich und nickte zu dem Ledersofa rüber. »Ist das die berühmte Psychocouch,
die jeder Psychodoc hat? Es heißt doch immer, man muss da auf die Couch oder
so?«
Dr. Renn lächelte. »Die
meiste Zeit ist die Couch nur ein dekoratives Möbelstück in diesem Zimmer, die
zweitmeiste Zeit nutze ich sie für ein kurzes
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