Das Gutachten
nicht. Nicht besonders. Noch vor zwei Wochen, vor ihrer
Festnahme, hätte sie sich ein Leben ohne ihn beim besten Willen nicht
vorstellen können. Aber nun hatte sie mehrere Tage Zeit gehabt, über die
vergangenen Jahre nachzudenken und da blieb nicht wirklich viel, was ihr
fehlte.
Außerdem war ihr klar
geworden, dass er letztlich immer zuerst auf seinen Vorteil aus war. Zuerst kam
immer Chris, dann lange nichts. Sie selber hatte in seinem Leben keine wirklich
wichtige Rolle gespielt, außer dass sie entscheidend daran beteiligt war, jede
Menge Geld zu besorgen. Geld, das man sich nicht mühsam verdienen, nicht hart
erarbeiten musste.
Dafür war Sandra gut
gewesen. Und für seine eigene Befriedigung. Ok, das war etwas Besonderes mit
Chris. Er wusste genau, wie er sie nehmen musste, damit auch sie tiefe Lust im
ganzen Körper verspürte. Aber trotzdem hat er alles in erster Linie nur für
sich gemacht. Nicht für Sandra, nicht für sie beide. Wahrscheinlich hat er nie
jemals an eine gemeinsame Zukunft gedacht.
Sie schon. Heimlich hat
sie sich doch ausgemalt, wie es mal sein könnte. Mit Chris an ihrer Seite: verheiratet,
zwei süße Kinder, er hat die Firma seines Vaters geerbt und sie leben genau das
Leben, was sie sich immer gewünscht hat.
Und nun? »Nun sitze ich
hier in diesem verfickten Knast und warte auf einen Prozess wegen schwerer
Erpressung und Nötigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und
Beamtenbeleidigung.«
Sandra hatte in den
letzten Tagen begonnen, mit sich selber zu sprechen, da es ihr ansonsten an
weiteren Kommunikationsmöglichkeiten mangelte.
Ihre Anwältin Frau Berger
hatte ihr heute noch einmal die Verteidigungsstrategie verdeutlicht. Sandra
blieb bei ihrem vollen Geständnis, gleichzeitig zeichneten die beiden aber das
Bild einer unsicheren jungen Frau, die von ihrem übermächtigen Freund dominiert
und für die kriminellen Handlungen missbraucht wurde.
»Es ist sehr wichtig, dass
Dr. Renn in seinem Gutachten zu dem gleichen Ergebnis kommt!« hatte Frau Berger
Sandra eindringlich gesagt. »Dann haben wir eine realistische Chance auf ein
mildes Urteil.«
Diese Worte waren Musik in
Sandras Ohren.
Kapitel 27
Die Handschellenpflicht
war zwischenzeitlich aufgehoben worden und Sandra wurde dieses Mal von einer
freundlichen Beamtin zum Büro des Psychologen geführt. Es war erst ihr dritter
Besuch hier und doch empfand sie ein willkommenes Gefühl der Vertrautheit, als
sie den Raum betrat.
Er wies auf den Stuhl und
begrüßte sie freundlich, nachdem er die Tür abgeschlossen hatte. »Wir wollen
doch nicht gestört werden«, meinte Dr. Renn in ruhigem, sachlichen Ton, als er
ihren Blick bemerkte.
»Ich freue mich, dass sie
keine Handschellen mehr tragen müssen. Sollte es aber sein, dass wir im Rahmen
unserer Gespräche noch einmal ein Paar benötigen«, er griff in seine
Schreibtischschublade, »kann ich aushelfen.«
Sandra schluckte. »Keine
Sorge. Das ist kein Vergleich zu dem, was sie hier in den ersten Tagen erlebt
haben. Es wird Teil ihres Selbstfindungsprozesses sein und sie werden es
lieben. Da bin ich mir ganz sicher.«
Er hatte an seinem
Schreibtisch Platz genommen und blätterte kurz in den Papieren. Wir haben noch
3 Stunden plus den Rest von heute, dann muss ich mein Gutachten über sie
schreiben. Das ist nicht viel Zeit, aber es sollte reichen, um einen treffenden
Eindruck zu bekommen.
Heute ändern wir die
Regeln:
Ich werde dich in Zukunft
duzen und du wirst mich jedes Mal mit »Herr Doktor« ansprechen. Also, nicht
einfach ‚Ja‘ oder ‚Nein‘, sondern ‚Ja, Herr Doktor‘ und ‚Nein, Herr Doktor‘.
Hast du das verstanden?«
Sandra nickte und nach
einer kurzen Pause »Ja, Herr Doktor«.
Er lächelte. »Gut. Außerdem
werden wir bei dem ‚CMNF’-Prinzip weitermachen. Bitte ziehe nun dein Oberteil
und deinen BH aus und leg die Sachen hier hin.«
»Ok.« Mit einem kleinen
Anflug von Widerwillen zog Sandra das T-Shirt und ihren Büstenhalter aus.
»Ok, was?« Dr. Renn
blickte streng und Sandra erschrak ein wenig, weil sie diesen Gesichtsausdruck
bei ihm vorher noch nicht gesehen hatte.
»Ich verstehe nicht ...
Ach so, ja natürlich: ‚Ok, Herr Doktor’.« Die Betonung auf den letzten beiden
Worten war zwar etwas zu stark, aber Dr. Renn bohrte nicht weiter nach. Sie
würde schon noch lernen, da war er sich sicher.
»Sandra, ich möchte, dass
du mir dein erstes sexuelles Erlebnis schilderst. Damit meine ich nicht das
berühmte ‚Erste Mal‘. Ich meine
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