das gutenberg-komplott
einer Revolution, die alle vorherigen übertreffen würde. Im Lauf der nächsten Jahre würde sich das Bild vom Menschen, von der Erde und vom Universum dram a tisch verändern. Eine Kraft würde vor allen andern die neue Welt prägen: das Buch! Langfristig würde sich der Siegeszug des gedruckten Buches nicht aufhalten lassen; aber er konnte die Entwicklung verzögern , u nd das genügte seinen Zwecken. Wenn das Geheimnis der Druckkunst in seinen Händen war; wenn es ihm gelang, in Rom, an einem verborgenen Ort, eine Druckerei aufzubauen; wenn der neue Papst mit seiner Hilfe die öffentliche Meinung diktierte: dann stand Bolognas Aufstieg an die zweite Stelle im Kirchenstaat nichts im Weg.
Und wie viel hatte er dafür riskiert! Der Mord an Kardinal Martini war sein Werk gewesen! Wenn man Angelini zum Papst wählte, würde er es ausschließlich ihm zu verdanken h a ben, seiner Umsicht, seiner Planung. Bologna würde Kardinal werden und sich damit nicht begnügen: Auch Angelini, der z u kün f tige Papst, war nicht mehr der Jüngste …
Es klopfte an der Tür der Klosterstube, und Henning betrat den Raum. Bologna brauchte einen Moment, um sich auf seinen Besucher einzustellen, denn seine Gedanken hatten ihn fortg e rissen.
»Ich komme aus der Stadt«, sagte Henning. »Die Vorbere i tungen für Fastnacht sind in vollem Gang. Bis heute Abend, wenn der Scheiterhaufen brennt, wird keiner mehr nüchtern sein.«
»Wollen wir es hoffen. Was ist mit Gutenbergs Leuten?«
»Alles läuft wie erhofft«, sagte Henning. »Sie treiben sich in der Stadt herum. Sein Anwesen ist unbewacht.«
»Du hast also Recht behalten. Ich habe bis zuletzt daran g e zweifelt, ob er so unvorsichtig sein wird.«
»Versetz dich in seine Lage! Seine Leute quälen sich Tag und Nacht für ihn. Er darf den Bogen nicht überspannen. Fas t nacht lässt sich keiner entgehen. Er kann sie nicht zurückha l ten.«
»Ist er allein in seinem Hof?«, fragte Bologna.
»Davon können wir ausgehen.«
Bologna ging zu seinem Reisekoffer, kramte eine Papierrolle hervor und breitete sie auf dem Tisch aus. »Lass uns alles noch einmal durchsprechen!« Er entrollte den Papierbogen, bis eine Zeichnung zum Vorschein kam. »Das ist Gutenbergs Hof.« Henning half ihm, die Rolle festzuhalten. Bologna deutete auf eine schraffierte Fläche. »Das Wohngebäude. Gleich daneben das Hoftor, das er immer mit schweren Balken verriegelt. Hier ist von außen kein Durchkommen. Der Schwachpunkt liegt hier! An der Rückseite des Hofes, wo die kleine Sackgasse ve r läuft. Ich nehme an, dass er sich hauptsächlich im Wohngebäude au f hält, vielleicht in der Werkstatt. Hier auf der Rückseite, zur Sackgasse hin, gibt es keinen Eingang, nur Fenster, die er wah r scheinlich verschlossen hält. Aber das wird kein Problem sein.«
Sie hatten sich über den Plan gebeugt; Henning hob den Kopf, so dass ihre Augen nur um Handbreite voneinander en t fernt waren. »Das sagst du so einfach. Du bleibst schließlich im Hintergrund und wartest, bis alles vorbei ist.«
»Dafür ist dein Anteil sehr hoch!«
Henning senkte den Kopf und starrte wieder auf den Plan. »Das Wegschaffen der Geräte liegt mir schwer im Magen«, sa g te er. »Selbst wenn alle betrunken sind, wird das kein Kinde r spiel.«
»Du bist nicht allein.«
»Aber von mir hängt alles ab.«
»Der Wagen fährt zum Tor und bleibt dort stehen«, sagte Bologna. »So ein Gefährt fällt bei dem Trubel gar nicht auf, man wird euch für Schausteller halten. Vereinbart ein Zeichen, damit du weißt, wann du ihnen von innen öffnest. Sobald du ihnen das Tor öffnest, fährt der Wagen in den Hof, und du machst es wi e der zu. Ihr seid in der Überzahl und werdet mit Gutenberg leicht fertig. Räumt ihm die gesamte Werkstatt leer! Lasst nichts z u rück!«
Gutenberg und Thomas standen im Zimmer des Korrektors, weil es dort nicht so kalt war wie in der Werkstatt. In einem Wandregal stapelten sich dickleibige Bücher; Pergament- und Papierstreifen lagen herum, zum Teil mit winzigen Buchstaben beschrieben. Auf dem Pult brannte eine Öllampe und kämpfte gegen das Halbdunkel.
»Ich habe ein ungutes Gefühl«, sagte Gutenberg, der den Mund verzog, als er ein Blatt zur Hand nahm, mit roten Zeichen am Seitenrand. »Aber ich musste meinen Leuten über Fastnacht freigeben. Die Festtage sind ihnen heilig, und nichts kann sie zurückhalten.«
»Immerhin sind wir zu zweit«, sagte Thomas, der sich ne u gierig im Raum umschaute. Sie hätten
Weitere Kostenlose Bücher