das gutenberg-komplott
genauso gut im Haup t haus bleiben können, aber Gutenberg zog es an seinen Arbeit s platz, als sei das der sagenumwobene Magnetberg.
»Ich habe alle Gebäudeteile abgeriegelt. Wir werden regelm ä ßig Kontrollgänge machen. In der Hauptsache müssen wir die Werkstatt bewachen. – Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Was wir von Hermann erfahren haben, beunruhigt mich!«
»Ich habe Zweifel an seiner Version«, sagte Thomas. »Vie l leicht hat er uns nur einen Teil der Wahrheit erzählt.«
»Ich glaube, er war ehrlich.«
»Kann jemand wirklich so naiv sein, alle Geheimnisse au s zuplaudern, ohne dass er dafür bezahlt wird?«
»Hermann schon. Jedenfalls wenn eine Frau im Spiel ist. Am liebsten würde ich ihm den Hals umdrehen, aber ich brauche ihn – sonst kann ich die Werkstatt gleich dicht machen. Ich fr a ge mich, ob nicht vielleicht Henning was mit der Sache zu tun hat?«
»Wer ist dieser Henning? Kennt Ihr ihn gut?«
Gutenberg schüttelte den Kopf. »Ein wenig. Was heißt schon kennen? Man kann ja in keinen hineinschauen. Es gibt in uns e rem Lebensweg einige Parallelen. Wir sind uns erstmals wä h rend meiner Straßburger Zeit begegnet. Er hatte gerade eine Familie gegründet und nagte am Hungertuch.«
Thomas schaute überrascht auf. »Erzählt mir darüber!«
»Eines Tages – während ich noch an den Spiegeln arbeitete, mich gedanklich aber bereits mit dem Buchdruck beschäftigte – stand Henning vor meiner Tür. Er habe gehört … Ob ich ihn nicht brauchen könne? Ich weihte ihn in mein Spiegel-Projekt ein. Finanziell beteiligen könne er sich nicht, sagte er, aber er verstehe sich auf Metalle, und wenn ich so viele Spiegel he r stellen wolle, brauche ich sicher Hilfe. Ich war einverstanden, und er hat vielleicht ein halbes Jahr für mich gearbeitet. Er stel l te die Spiegel in seiner Werkstatt her. Henning war zuverlässig und ein exzellenter Handwerker. Ich konnte mich nicht über ihn beklagen.«
»Eine rein geschäftliche Beziehung?«
»Ja, und das lag an seiner Art, mit der ich nicht zurechtkam. Er war immer am Jammern. Er haderte mit Gott und der Welt; fühlte sich vom Schicksal benachteiligt. Ich hatte bei Henning immer den Eindruck, als sei er neidisch auf mich.«
»Woran habt Ihr das gemerkt?«
Gutenberg hob die Schultern. »Er betonte auf übertriebene Weise seine einfache Herkunft. Wie schwer er es zeitlebens gehabt habe. Und dann bei anderen Gelegenheiten spielte er da r auf an, dass ich ja aus einer Patrizierfamilie stamme. Als sei mir alles in den Schoß gefallen. Das sagte er nicht – aber er meinte es.«
»Was geschah, als das Projekt mit den Spiegeln beendet war?«
»Er bot mir an, weiter für mich zu arbeiten; wahrscheinlich hatte er mitbekommen, dass ich mich mit einer neuen Erfindung beschäftigte – aber ich hatte keine Verwendung für ihn.«
»Und später habt Ihr und Henning Euch in Mainz wieder g e sehen?«, fragte Thomas.
»Er hatte mittlerweile vier oder fünf Kinder und lebte seit e i niger Zeit in Mainz. Damals florierte seine Werkstatt. Aber in den letzten Jahren gingen die Aufträge zurück. Mainz ist hoch verschuldet, viele haben der Stadt den Rücken gekehrt.«
»Wie war Euer Verhältnis, als Ihr Euch wieder begegnet seid?«
»Nach außen freundlich, aber in Wahrheit distanziert.«
»Ihr seid Euch aus dem Weg gegangen?«
»Wenn wir uns begegneten, haben wir ein paar Worte g e wechselt, mehr nicht. Natürlich hat er mitbekommen, dass ich eine Druckerei aufbaue. Das weiß hier in Mainz schließlich j e der. In Straßburg habe ich noch ein Geheimnis daraus gemacht, weil ich mir meiner Sache nicht sicher war. Hier in Mainz stel l te ich zwei ehemalige Goldschmiede an, die für die Metallle t tern zuständig sind; das hat er mitbekommen und vielleicht g e hofft, dass ich auf ihn zugehe. Aber ich wollte ihn nicht ständig in meiner Nähe haben. Handwerklich hätte er das gekonnt. Aber menschlich passt er nicht in meine Truppe.«
»Es kann also sein, dass er einen heimlichen Groll hegt«, r e sümierte Thomas.
»Gut möglich.«
Sie schwiegen, und Thomas trat zum Pult des Korrektors, auf dem Gutenbergs rechter Arm lag, daneben einige bedruckte Seiten; die Arbeit des gestrigen Tages. Thomas deutete auf e i nen riesigen Buchstaben, der ein Bild enthielt. »Was ist das?«
»Eine Miniatur. Judith mit dem Haupt des Holofernes!«
Thomas trat näher, um die Miniatur erkennen zu können. Der enthauptete assyrische Feldherr lag auf seinem Bett, aus seiner
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