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das gutenberg-komplott

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Titel: das gutenberg-komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: born
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deutschen Sprüche kennt jeder, die lernt ihr auf der Straße. Die lateinischen lernt ihr nur bei mir.«
    »Mein Vater sagt, Latein ist Quatsch!«
    Die Lehrerin trat hinter ihrem Pult hervor und stemmte die Fäuste in die Hüften. Sie war klein und warf ihre rotblonden Haare in den Nacken. Ihre Augen funkelten. »Wilfried, sag du den Spruch!«
    »Quod licet Iovi non licet bovi.«
    »Was heißt das?«
    »Was Jupiter erlaubt ist, ist einem Ochsen noch lange nicht erlaubt.«
    »Den Spruch kannst du deinem Vater aufsagen, Matthias. Und damit genug für heute.«
    Die Schüler klemmten ihre Wachstafeln unter den Arm und eilten aus dem Raum. Katharina Roth blieb allein zurück und verstaute ein lateinisches Grammatikbuch und verschiedene Schreibgriffel in ihrem Lederbeutel. Sie wusste, dass ihr Te m perament wieder einmal mit ihr durchgegangen war. Sie musste lernen, sich klüger zu verhalten. Matthias hatte die Anspielung verstanden und würde seinem Vater Bericht erstatten. Damit stand Ärger ins Haus. Wenn sie es sich mit den Eltern verdarb, stand sie bald ohne Arbeit da.
    Sie verließ das ›Zur Isenburg‹ genannte Zunfthaus der Kr ä mer, in dem der Unterricht stattfand. Zunächst überquerte sie eine schmale Gasse, dann den freien Platz vor dem Kaufhaus am Brand, dessen mächtiger Steinfassade mit Statuen der si e ben Kurfürsten sie keine Beachtung schenkte. Der Regen beschle u nigte ihre Schritte. Ihr Vater leitete das Kaufhaus, in dem es z u ging wie in einem Taubenschlag. Menschen kamen und gingen. Sie sah den alten Franz, der seit vielen Jahren dort arbe i tete, beim Eingang stehen und mit einem Händler ein Schwät z chen halten.
    Katharina ging Richtung Dom, in dessen Eingang sie Frauen und Mönche verschwinden sah. Als sie ein zweistöckiges, am Marktplatz schräg neben der Münze gelegenes Fachwerkhaus betrat, spürte sie einen seltsamen Druck auf der Brust.
    »Katharina, du kommst zu spät! Wir sind bei Tisch.« Die Stimme ihrer Mutter. Katharina legte den durchnässten Mantel ab. Ihr Vater, ihre Mutter, zwei Schwestern und ein Bruder s a ßen bereits in der Küche am Mittagstisch. Katharina hatte den ungeliebten Brei und das Dörrobst schon gerochen, bevor sie den Raum betrat. Die Fünf löffelten schweigend.
    Sie setzte sich neben die Mutter und füllte ihren Teller aus einem in der Mitte stehenden Topf. Auf dem Tisch lagen Brotstücke. Aus den Augenwinkeln betrachtete sie ihren Vater. Seine Laune schien nicht die beste zu sein.
    »Was hat dich diesmal aufgehalten?«, fragte er.
    »Ein kluger Spruch.«
    Katharinas Vater hatte mit Tuchen gehandelt und Verbi n dungen in ganz Europa unterhalten, bevor er die Leitung des Kaufhauses übernahm. Er hatte gehofft, dass einer der Söhne ins Geschäft einstieg, aber sie ergriffen andere Berufe.
    »Es wird Zeit, dass du heiratest«, sagte er unvermittelt. Das war sein Lieblingsthema. Einleitender Worte bedurfte es schon lange nicht mehr.
    Katharina erwiderte: »Ich denke nicht daran.«
    »Man macht sich schon lustig über mich«, sagte er. Imme r hin hatte er sie bisher nicht gezwungen.
    »Das sind Dummkö p fe!«, sagte Katharina.
    »Bilde dir nur nichts darauf ein, dass du Lehrerin bist.«
    »Was soll das heißen?«
    »Es gibt erfolgreiche Menschen, die weder lesen noch schreiben können.«
    »Erfolg und Dummheit schließen sich nicht aus.«
    Katharina war schlecht gelaunt und in der Stimmung, einen Streit vom Zaun zu brechen. Erst letzte Woche hatte sie po l ternd das Haus verlassen. Aber schließlich blieb ihr nichts and e res übrig, als wieder dorthin zurückzukehren.
    »Ich will mein Leben nicht in der Küche verbringen«, sagte sie.
    »Warum redest du immer von der Küche?« Es war ihre jün g ste Schwester, die sich einmischte. »Du kochst doch nie!«
    »Wie stellst du dir dein zukünftiges Leben vor?«, fragte ihr Vater.
    Katharina warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Einen M o ment erwog sie, seine Frage offen zu beantworten. Aber sie hä t te ihm sagen müssen, dass sie in der Enge ihres Elternhauses zu erstic ken glaubte. Dabei hätte ein Außenstehender sie für glüc k lich halten müssen. Aber sie wollte nicht heiraten, sondern e i nem Beruf nachgehen. Als der alte Lehrer starb, hatte sie sich den Eltern der Kinder als Übergangslösung angeboten. Das lag ein Jahr zurück und sie hatte die Stelle noch immer.
    Katharina vermied einen Streit. Nach dem Essen ging sie in ihre Kammer, in der früher das Dienstmädchen geschlafen ha t te. Ein kleines

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