das gutenberg-komplott
war. Gerade hatte er den Entschluss gefasst , da stand er vor einer hohen, dunklen Fläche, einem Tor vielleicht. Er drückte mit beiden Händen dagegen und hörte ein Quietschen. Seine Handflächen schienen Eis berührt zu h a ben. Die dunkle Fläche gab nach, und er betrat einen Raum, in dem er zunächst nichts wahrnahm als absolute Finsternis.
25.
E
s roch nach Weihrauch, nach geschmolzenem Wachs, aber auch nach Moder und kaltem Stein. Er tastete sich voran und sah Lichtflecke. Sie rührten von Kerzen her, die auf einem Altar standen; sie brannten als Ewiges Licht, und Metal l ständer mit breitem Rand fingen das Wachs auf. Er war in eine Kapelle oder Kirche geraten.
Thomas ging auf den Altar mit den Kerzen zu, nahm einen der Ständer in die Hand und machte sich auf die Suche nach einem Gewand, einem Stück Stoff, was immer. Jeden Moment rechnete er damit, dass seine Verfolger die Tür aufstießen. Vor seinem geistigen Auge sah er ihre Fackeln und ihre Waffen. Fast wäre ihm die schmale Tür entgangen, die unscheinbar und versteckt an den Beichtstuhl grenzte. Sie war unverschlossen, und er betrat einen Raum, in dem sich Truhen befanden und Regale mit Kerzen, Weihrauchgefäßen und Altarschmuck.
Thomas klappte den schweren Holzdeckel einer Truhe auf und sah, ordentlich zusammengefaltet, graue Mönchskutten. Er zögerte keinen Moment und streifte sich eins der Gewänder über den Kopf; es fühlte sich rau an und brannte auf seiner ze r kratzten Haut, aber er hätte sich trotzdem im Moment nichts Angenehmeres vorstellen können, und vor Freude vergaß er sogar seine Schmerzen. Thomas hüpfte auf und ab, ruderte mit den Armen, um wieder Wärme in den Körper zu bringen. Beim Wühlen in einer anderen Truhe fand er einen Gürtel, den er sich um den Bauch band.
Es fehlten noch Schuhe, aber er konnte keine finden. Also riss er ein Stück Stoff, von dem er nicht wusste, wozu es gut war, in Stücke und band es um seine erfrorenen Füße. Es daue r te lange, bis Leben in sie zurückkehrte.
Thomas humpelte mit der Kerze zum Chor, wo er sich auf einen der hölzernen Stühle fallen ließ und den Kopf zurüc k lehn te. Das Gewölbe verlor sich im Dunkel. Er musste mit K a thar i na sprechen und sie warnen. Ihr Leben war in Gefahr. Er war mittlerweile davon überzeugt, dass man ihn die ganze Zeit überwacht, dass der unbekannte Gegner ein Netz von Beobac h tern über die Stadt verteilt hatte. Hoffentlich war ihr in der Zw i schenzeit nichts zugestoßen! Wie sollte er vorgehen? Immerhin besaß er eine Verkleidung.
Er hatte nie eine Mönchskutte getragen. Im Geist schritt er als Mönch über den Mainzer Marktplatz. Geistliche gehörten zum Stadtbild.
Ein stechender Schmerz im Knie beendete seine Träumerei. Er umklammerte es mit beiden Händen, was aber keine Lind e rung brachte. Trotzdem fiel er irgendwann in eine Art Hal b schlaf. Als sich die ersten Spuren von Helligkeit zeigten, wurde er wach. Das Knie schmerzte unerträglich. Er musste ve r schwinden. Seine Verkleidung war an anderen Orten wirksamer als hier.
Die Gasse vor der Kirche war immer noch menschenleer, und Thomas schaute auf seine mit Stofffetzen umwickelten F ü ße. Falls ihn jemand darauf ansprach, würde er das als Form der Buße ausgeben. Er musste zu Katharina! Er irrte durch Gassen, ohne jemandem zu begegnen, kam dann zum Marktplatz. Er schaute sich nach Verfolgern um, aber es war niemand zu s e hen. Aus manchen Häusern stieg Rauch auf, die Stadt erwachte. Thomas sah zwei Frauen zum Dom gehen. Das brachte ihn auf eine Idee. Katharina hatte ihm erzählt, sie besuche häufig die Frühmesse. Sollte er versuchen, sie in der Kathedrale abzufa n gen?
Ein Trupp von fünf Männern tauchte am anderen Ende des Marktplatzes auf. Er versteckte sich hinter einer Hauswand, damit sie ihn nicht sehen konnten. Als er nach einiger Zeit um die Ecke schaute, war die Gruppe verschwunden.
Thomas mied den Marktplatz, hinkte durch Seitengassen und erreichte den Dom. Das eiserne Hauptportal stand offen.
Er betrat das Kirchenschiff, in dem sich einige Gläubige au f hielten; die Messe hatte noch nicht begonnen. Hohe Säulen tr u gen das Gewölbe und trennten das Hauptschiff von den Seite n schiffen. Durch die bunten Glasscheiben fiel das Licht des fr ü hen Morgens, aber ohne Sonne leuchteten die blauen, roten, gelben und grünen Farbfelder noch nicht. Ein weißes Tuch mit Goldrand bedeckte den Altar; darauf stand ein silberner Pokal. Hauptsächlich Frauen waren
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