das gutenberg-komplott
gehe ich zu einer Tür, die ist ziemlich unscheinbar. Dort sitzt ein Mann, der alte Franz. Ich werde ihn ablenken. Sobald du freie Bahn hast und dich ni e mand sieht, verschwindest du hinter der Tür. Sie führt zum Treppenhaus. Sei schnell und vergiss nicht, die Tür wieder zu schließen!«
»Was dann?«
»Du wartest am Fuß der Treppe, bis ich komme! – Ich ve r schwinde jetzt.«
»Kannst du mir was zu essen mitbringen?«
»Ich will’s versuchen. – Ansonsten hilft betteln. Darin seid ihr Mönche doch geübt.«
In der Art, wie sie ihm zulächelte, schien etwas Doppelböd i ges mitzuschwingen.
Sie stand auf. »Ich gehe jetzt zu den andern«, sagte sie. »Damit sich keiner wundert.«
26.
E
twa zwei Stunden später machte sich Thomas auf den Weg zum Kaufhaus. Die Stofffetzen an den Füßen trugen ihm fr a gende Blicke ein, während er über den Marktplatz lief. Was mit seinen Füßen passiert sei, fragte ihn eine junge Frau im Vorbe i gehen.
»Ich tue Buße«, erwiderte er. »Auch für dich und deine Sü n den. Dies Werk ist dem Herrn wohlgefällig.«
Sie gab ihm eine Münze, und er kaufte sich in einem kleinen Bäckerladen neben dem Zunfthaus der Krämer zwei Brötchen. Sie schmeckten besser als alle, die er in seinem Leben gegessen hatte.
Beim Kaufhaus herrschte Geschäftigkeit; vor dem Hauptei n gang standen Karren, die be- und entladen wurden. Auf einem der Wagen stapelten sich Ballen mit Stoffen, und ein Tuchhän d ler trat seinem Tagelöhner in den Hintern, weil er Ware hatte fallen la s sen. Kinder und Jugendliche waren unter den Arbe i tern, und drei Männer rollten Weinfässer über eine Rampe in die Ha l le.
Thomas ging an den Lastträgern vorbei. »Vorsicht, ehrwü r diger Bruder!«, sagte ein Mann, der ihn beinahe mit seiner Holzkiste umgerannt hätte.
»Nicht so stürmisch, mein Sohn«, erwiderte Thomas. »Übe r triebener Eifer ist Sünde.«
Der Tagelöhner kämpfte sich die Stufen zum Kaufhaus e m por. »Sagt das dem Mann, der mich bezahlt!«
Thomas betrat die Halle, die Kapuze seiner Mönchskutte tief ins Gesicht gezogen. Die Händler waren noch damit beschä f tigt, ihre Stände aufzubauen und herzurichten; ein Mann mit Händen so groß wie Schaufeln ordnete Fische in einem rech t eckigen Korb nach einheitlichem Muster, und die Tiere starrten Thomas mit ihren kalten, toten Augen an.
»Ehrwürdiger Vater, wie wäre es mit einer gebratenen Fore l le heut Abend?«
»Mein lieber Sohn«, antwortete Thomas, »nichts käme mir gelegener. Doch schau auf meine Kleidung und mein Schu h werk. Ich habe das Gelübde der Armut abgelegt und besitze nichts, womit ich dich entlohnen könnte als den Segen des Herrn.« Er schaute sich um, während er sprach. »Wenn du also, Gott zur Ehre und deinem Seelenheil zuliebe, mir eines dieser schönen Exemplare opfern möchtest, so werde ich dich in me i ne Gebete einschließen, und deine Sünden der letzten Zeit seien dir vergeben.«
Die Kutte und der Respekt, den man ihm entgegenbrachte, inspirierten Thomas. Der Händler reichte ihm einen der Fische mit der Bitte, seine bescheidene Gabe anzunehmen. »Gesegnet seiest du«, sagte Thomas. »Der Herr wird es dir vergelten!«
Er lief mit dem Fisch in der Hand durch die Halle. Wo stec k te Katharina? Sie war nirgends zu sehen. War sie aufgehalten worden? Und würden seine Verfolger ins Kaufhaus kommen? Hoffentlich, dachte er, trauen sie mir das nicht zu, denn ich muss verrückt sein, mich hier herumzutreiben. Andererseits ist es vielleicht der Ort, wo sie mich am wenigsten vermuten. Wo bleibt sie?
Endlich sah er Katharina beim Eingang. Er bemerkte zuerst den roten Mantel, dann ihre kleine Gestalt. Sie ging eilig zw i schen den Ständen entlang und erweckte nicht den Anschein, als suche sie jemanden. Sie sah Thomas, ihre Blicke begegneten sich. Er folgte ihr mit Abstand. Sie ging ans Ende der Halle.
Dort saß ein Mann auf einem klapprigen Stuhl neben einer Tür. Thomas schaute sich um. Er bemerkte einen schmächtigen Mann, der in die gleiche Richtung ging wie Katharina. Er trug eine Mütze mit Pelzbesatz. Wahrscheinlich, überlegte Thomas, kommt mir im Moment jeder verdächtig vor.
Katharina sprach mit dem alten Mann an der Tür. Er fing an zu lachen, und dann ging er mit ihr weg. Thomas beobachtete den Mann mit der Pelzmütze, der sich bei einem Stand heru m trieb, aber fortwährend in Katharinas Richtung schaute. Es nütz te nichts, sich weiter darüber Gedanken zu machen; Th o mas hatte nur wenige
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