das gutenberg-komplott
letzten Jahren spezialisiert auf Geldve r leih. Mein Vater kennt ihn gut. Fust gilt als Mann, der scharf kalkuliert. Es geht das Gerücht, er habe Gutenberg zwei riesige Darlehen gegeben, im Umfang von etwa anderthalb tausend Gulden. Es muss Gutenberg gelungen sein, diesen in Gelddi n gen extrem skeptischen Mann von seiner Erfindung zu übe r zeugen. Wenn Fust sich daran beteiligt und so weit aus dem Fen s ter lehnt, sagt mein Vater, dann hat die Sache Hand und Fuß. Wahrscheinlich hat ihm Gutenberg kleine Proben seiner Kunst vorgelegt. Er soll lateinische Grammatiken gedruckt h a ben und Kalender mit astronomischen Angaben. Außerdem ein Siby l lenbuch, das vom Untergang der Welt berichtet und K a lender, die den Kampf gegen die Türken unterstützen. Momentan a r beitet Gutenberg am Druck der Bibel.«
Thomas verstand, warum Gutenberg sich hoch verschulden musste. Er hatte einmal in einer Klosterbibliothek eine Han d schrift gesehen, die den Text der gesamten Bibel umfasste, zwei riesige, in edles Leder gebundene Bücher, die ihn allein von der Größe und vom Gewicht her beeindruckten.
Katharina, die sich zwischenzeitlich auf den anderen Stuhl gesetzt hatte, fuhr mit der Hand über seinen Oberschenkel. »Tut es hier weh?«, fragte sie.
»Es geht.«
Ihre Hand fuhr höher. »Hier?«
»Etwas.«
Er vergaß Gutenberg und seine Erfindung. Auch die Verle t zung ängstigte ihn nicht länger. »Ich habe auch an der Schulter eine Verletzung«, sagte er, stand auf, zog sich die Mönchskle i dung über den Kopf und ließ sie zu Boden fallen.
»Wenn es dich beruhigt«, sagte sie, »schaue ich gern mal nach. Die Schulter ist aber auf der anderen Seite.«
»Das verwechsle ich immer.« Er drehte sich um und wandte ihr den Rücken zu. Ihre Hand berührte seinen Hals und die Schulter.
»Die Stelle ist besonders empfindlich«, sagte er.
Aber sie schien seine Verletzung nicht sonderlich ernst zu nehmen. Er fragte sich, ob nicht bei allem, was sie sagte oder tat, ein leiser Spott mitschwang. War es vielleicht ihre Art, Z u neigung auszudrücken?
Er dachte an die Nacht, als sie gestört wurden. Der Gedanke an ihren Körper erregte ihn. Sie drängte sich an ihn, und er spü r te ihr Kleid an seiner Haut; es war sehr dünn. Sie spielte mit ihren Fingern an seiner Brust. Er senkte den Kopf und schaute ihr zu. Sie wusste, wie sie ihn berühren musste. Sie erfasste se i ne Wünsche, bevor er selbst sich ihrer bewusst wurde. Aber er fühlte auch einen Missklang. Schon beim let z ten Mal hatte er sich gefragt, wie es kam, dass sie so selbsts i cher wirkte.
Sein Atem ging schneller. Sie löste sich von ihm und streifte ebenfalls ihre Kleidung ab. Er drehte sich nicht um und sie schmiegte ihre Brust an seinen Rücken.
Die Kutte erwies sich als passable Unterlage. »Hast du nicht ein Keuschheitsgelübde abgelegt?«, fragte sie. »Ich hätte mich früher für Geistliche interessieren sollen.«
»Das Kontemplative hat Vorteile.«
Sie drückte seinen wunden Rücken fester auf den Boden und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ihr Haar rieselte auf seine Brust. Sie presste die Lippen zusammen, als müsse sie Schmerz unte r drücken.
Später lagen sie nebeneinander und schauten sich in die A u gen. Er verlor das Empfinden von Fremdheit ihr gegenüber. Er hatte sie zu Unrecht verdächtigt und schämte sich deswegen.
»Was ist das?«, fragte sie plötzlich.
Er hob den Kopf. Es waren Schritte. Sie schauten sich an, i h re Arme und Beine verschlungen. Sie lösten sich voneinander. Er dachte an den Mann in der Halle.
Die Schritte pochten von der Treppe her. Wer immer dort kam, er kam allein , soviel ließ sich ausmachen. Thomas suchte nach etwas, womit sie sich verteidigen konnten. Er wollte den Stuhl heranziehen, aber Katharina hielt ihn zurück.
Die Schritte näherten sich. Sie wirkten suchend und zöge r lich. Thomas und Katharina hielten den Atem an. Aber die G e räusche entfernten sich in den hinteren Teil des Dachbodens. Katharina hielt Thomas zurück, der aufstehen wollte. Sie lauschten, hörten manchmal ein Rumpeln. Eine Weile war es still, dann kamen die Schritte zurück und bewegten sich direkt auf die Treppe zu. Die Stufen knarrten, und schließlich war nichts mehr zu hören.
»Gibt es noch einen anderen Ausgang?«, fragte Thomas .
»Eine Tür, die von innen verriegelt ist, im ersten Stock. Von dort führt eine Außentreppe nach unten.«
Thomas glaubte nicht daran, dass ihr Verfolger aufgegeben hatte. Aber er wusste nicht, in
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