das gutenberg-komplott
anständig und fleißig. Niemand weiß etwas davon, dass einer von ihnen ein Verhältnis mit meiner Schwe s ter gehabt haben soll.«
»Nicht mal ein Gerücht?«, fragte Thomas.
»Absolut nichts. – Wäre es nicht besser, wenn du vorüberg e hend aus der Stadt verschwindest?«
»Nein, aber ich muss irgendwo Unterschlupf finden.«
Sie betrachtete aufmerksam sein Gesicht und bemerkte seine unnatürliche Haltung. »Was ist mit deinem Bein?«, fragte sie.
»Es ist vom Treppensteigen.«
In der Kaufhalle waren die Schmerzen erträglich gewesen. Am schlimmsten fand er die Ungewissheit, wie schwerwiegend die Verletzung war. »Was hast du über Gutenberg und seine Werkstatt herausbekommen?«, fragte er.
»Ich habe mich mit meinem Vater über Gutenberg unterha l ten. Er hat Kontakte zu Geschäftsleuten aus ganz Deutschland, und ein Kaufmann aus Straßburg hat ihm vor längerer Zeit über Gutenbergs Zeit dort berichtet. Es scheint, dass Gutenberg in der Stadt für Aufsehen gesorgt hat. Er war mehrfach in Strei t fälle verwickelt, und es kam zu Prozessen.«
»Um was ging es dabei?«, fragte Thomas.
»Eine Frau hat ihn angeklagt, die behauptete, er habe ihr die Ehe versprochen. Sie fühlte sich von ihm betrogen, weil er sein Versprechen nicht einlöste. Gutenberg bestritt das, und auch vor Gericht konnte die Sache nicht geklärt werden, weil Auss a ge gegen Aussage stand.«
»Wovon lebte er in Straßburg?«
»Er hatte Verwandte in der Stadt, wahrscheinlich halfen sie ihm anfangs finanziell. Er war mit verschiedenen Projekten b e schäftigt. So soll er lange Zeit sein Geld mit dem Polieren und Schleifen von Edelsteinen verdient haben. Mein Vater eri n nert sich, dass er sich schon in Mainz mit Goldschmiedearbe i ten beschäftigte. Sein Status innerhalb der Straßburger Bürge r schaft war unklar. Er gehörte nicht zu den Patriziern, aber auch nicht zu den Zünften, denn er betrieb kein hergebrachtes Handwerk.« Sie hielt inne und schien wieder zu lauschen. Erst nach einiger Zeit fuhr sie fort: »Ich hielt Gutenberg früher für einen Taug e nichts, der zwar ständig Ideen im Kopf hat, aber zu unbeständig ist, sie zu realisieren. Mit seiner Person verband ich immer e t was Anrüchiges, Unehrenhaftes. Aber in Wahrheit ist er ein gebildeter, kenntnisreicher Mann, der andere für seine Pläne begeistern kann. In Straßburg ließ er sich dafür bezahlen, einem reichen Bürger seine Edelsteinkünste beizubringen. – Und er gründete eine Genossenschaft.«
»Zu welchem Zweck?«, fragte Thomas.
»Die Gründung der Genossenschaft hängt mit einem Heil i gen Jahr zusammen und Wallfahrten nach Aachen. Die Aach e ner besitzen wertvolle Reliquien.«
»Die Windeln Christi zum Beispiel, ich habe davon gehört. – Aber was hatte die Genossenschaft mit den Wallfahrten zu tun?«
»Bei den Wallfahrten bekommen die Pilger oft die Reliquien nicht zu Gesicht«, sagte Katharina. »Damit für sie die weite Re i se nicht umsonst war, zeigt man die Heiligtümer exponiert, auf e i nem Gerüst zum Beispiel. Die Wallfahrer können dann mit e i nem Spiegel die Strahlen auffangen, die von der Reliquie ausg e hen.«
»Das war ein besonders findiger Theologe«, meinte Thomas und nickte anerkennend.
»Der Spiegel«, sagte Katharina, »hält die Strahlen fest, und man kann sie nach Hause tragen und von ihrem heiligen Wert zehren. Gutenberg hat solche Spiegel in großer Zahl hergestellt, und die Genossenschaft hat ihm das nötige Kapital geliefert. Das Unternehmen war ein finanzieller Erfolg. Sie müssen u n zählige von diesen Metallspiegeln verkauft haben.«
»Hat Gutenberg schon in Straßburg Bücher gedruckt?«
»Gut möglich«, sagte Katharina, »dass er es versucht hat. Die Leute erzählten sich, er arbeite an einer geheimen Erfi n dung. Falls es tatsächlich um Buchdruck ging, dann war er d a mals nicht so weit wie jetzt in Mainz.«
»Warum hat er Straßburg verlassen?«
»Es gab Streit zwischen Gutenberg und seinen Geschäft s partnern. Die ständige Bedrohung durch die Armagnaken mag ein weiterer Grund gewesen sein, weshalb die Stadt zu einem gefährlichen Pflaster wurde. Sicher hatte er Angst, in Krieg s wirren hineingezogen zu werden.«
»Hast du etwas über seine Geldgeber in Mainz herausb e kommen?«
»Es gibt nur einen Geldgeber: Johannes Fust – wenn man von kleineren Beträgen absieht, die man vernachlässigen kann.«
»Wer ist das?«
»Ein sehr wohlhabender Bürger«, sagte Katharina, »von B e ruf Kaufmann; in den
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