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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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fremdartigen Tiere, die da in den Gehegen untergebracht waren. Mutanten, so nahm ich im ersten Moment an. Doch das konnte eigentlich nicht sein; Pater O’Malley hätte ihre sofortige Schlachtung und anschließende Verbrennung angeordnet. Wenn es um Mutanten ging, so gab es keinerlei Toleranz. Verwirrt und fasziniert schlenderten wir zwischen den Gattern umher. Malcolm erzählte irgendetwas, doch ich muss zugeben, dass ich ihm nicht zuhörte. Zu sehr nahm mich der Anblick dieser eigenartigen Kreaturen gefangen. Meine Phantasie schlug regelrecht Purzelbäume. In meiner Vorstellung kamen alle diese Tiere von einer fremden, weit entfernten Insel. Aber das war natürlich Unsinn. Solche Inseln – oder gar Länder –, wie Robinson Crusoe sie beschrieben hatte, waren reine Phantasieprodukte. Diese Tiere hier waren zweifellos ganz einfach nur in anderen, weit entfernten Gegenden Irlands beheimatet. Donegal vielleicht, so überlegte ich. Wie ich gerade auf Donegal kam, wusste ich nicht. Es war einfach nur weit weg. Man reiste nicht, wie ich bereits erwähnte – zumindest nicht weit. Nicht einmal mein Vater war, soweit mir bekannt gewesen wäre jedenfalls, je über die Grenzen des Countys Galway hinausgekommen.
    Das bei weitem seltsamste Tier stand ganz am Ende der Gehege. Es war etwas abseits der anderen untergebracht und mit einer schweren Kette angebunden, die an einem eisernen Pflock hing, der tief in den Boden getrieben worden war.
    Das Tier war einfach riesig. Viel größer als selbst das größte Pferd. Es war grau, hatte gewaltige Ohren und eine lange Nase, die bis zum Boden herabreichte. Mit dieser schob es sich Heu ins Maul. Ich vergaß zuerst fast zu atmen. So etwas bizarres hätte ich mir, selbst in meinen phantastischsten Träumen, nie und nimmer vorzustellen vermocht. Ich stand vor der Absperrung und starrte das Tier an. Ich verfolgte neugierig jede seiner Bewegungen. Selbst als Malcolm mich schließlich drängte, weiterzugehen, konnte ich mich von diesem Anblick nicht losreisen. Irgendwann schloss er sich den anderen Jugendlichen an, die sich auf dem Platz vor dem großen Zelt zusammenfanden, als einige der bunt kostümierten Schausteller damit begannen, Feuer zu speien, und mit eigenartigen Instrumenten Musik zu machen. Die Töne drangen zu mir herüber, doch ich nahm sie nur am Rande war. Meine ganze Aufmerksamkeit galt dem riesigen Tier – und dem wofür es in meiner Phantasie stand.
    „Ein Elefant“, sagte plötzlich eine sanfte Stimme neben mir.
    Ich schrak kurz zusammen. Ich hatte in meiner Faszination überhaupt nicht mitbekommen, dass sich jemand zu mir gesellt hatte. Ich fuhr herum.
    Das Mädchen mochte in etwa in meinem Alter sein. Ein halbes Jahr älter vielleicht, aber nicht mehr. Ihre tiefbraunen Augen blickten mir freundlich, aus einem zarten Gesicht heraus, entgegen, das umspielt wurde von einer ungezähmten schwarzen Haarpracht. Sie war in ein farbenfrohes Gewand gehüllt. Zweifellos gehörte sie zu den Zirkusleuten. Ich sah ihr unverwandt entgegen. Zuerst hatte ich geglaubt, sie hätte sich ihr Gesicht sowie Arme und Beine schwarzbraun angemalt, doch bei näherem Hinsehen erkannte ich schließlich, dass weder um ihre Augen herum, noch an ihrem Haaransatz, die Farbübergänge zu sehen waren, wie bei den knallbunt bemalten Spaßmacher, welche ich zuvor so neugierig bewundert hatte. Ihre Haut war von Grund auf schwarz – und das kam nicht von irgendeiner Farbe.
    Ich muss sie wohl eine ganze Zeitlang wie ein Idiot angeglotzt haben.
    „Bist du eine... eine Mutantin?“, fragte ich verwirrt.
    Gleich darauf tat mir die Frage leid. Menschliche Mutanten waren ungeheuer selten. Ich selbst war noch nie einem begegnet – und auch sonst niemand den ich kannte –, doch wusste ich, dass es sie gab. Sicher, mit menschlichen Mutanten verfuhr man natürlich nicht so wie mit Pflanzen oder Tieren, doch mussten sie bereits bei der Geburt sofort gemeldet werden. Man brachte sie dann fort. Irgendwo im Osten sollte es ein Mutantenheim geben – so zumindest hieß es –, wo diese Menschen dann zusammenlebten; unter kirchlicher Verwaltung, ihren besonderen Bedürfnissen gerecht und unter Ihresgleichen.
    Wenn dieses Mädchen hier eine Mutantin war, so musste sie wohl fürchten, dass ich sofort zum örtlichen Priester oder Bürgermeister lief, um sie zu melden. Wahrscheinlich hatte sie sich versteckt gehalten, als Pater O’Malley vorhin gekommen war, um die Einhaltung der Richtlinien der Unverderbtheit zu

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