Das Hades Labyrinth (German Edition)
auf.
„Scheiße, dass tut weh“, jammerte er.
„Halt die Schnauze“, fuhr ihn Fischer an.
„Du hast ihn also“, stellte Dormark ruhig fest. „Wieso rufst du an?“
„Der Typ hat versucht abzuhauen. Während ich ihn verfolgte, habe ich die Beamten verloren, die mich begleitet haben. Und nun stehe ich allein in der Hindenburgstraße/Ecke Alter Markt mit einem durchgeknallten Junkie und einer Frau da. Sie ist mit dem Flüchtigen zusammengeprallt und kann jeden Augenblick durchdrehen.“
„Wer ist die Frau?“
„Keine Ahnung.“
„Frag sie.“
„Die Frau steht unter Schock. Schick mir sofort Verstärkung und einen Krankenwagen.“
„Ist sie verletzt?“
Fischer warf einen Blick auf die Frau, die versuchte, ihre Einkäufe in die zerrissenen Tüten zu stopfen.
„Nein, sieht nicht so aus. Aber wie gesagt, der Vorfall hat sie ganz schön mitgenommen.“
„Okay. In fünf Minuten ist ein Wagen da.“ Dormark legte auf.
„He, was willst du überhaupt von mir?“ Die Stimme des Junkies hatte einen weinerlichen Klang. „Mann, ich hab’ überhaupt nix gemacht.“
„Ruhe, das klären wir auf dem Revier.“
„Und du packst mich einfach und knallst mich auf den Boden.“
„Hingefallen bist du selbst.“
„Shit, ich blute.“ Der Junkie betrachtete seine ausgeblichene Jeans auf der sich rote Flecke abzeichneten.
„Du blutest nicht. Das waren die Tomaten.“ Fischer nickte in Richtung der Sauerei auf dem Asphalt.
„Ich blute. Ich brauche Hilfe“, beharrte der Junkie, dann begann er zu schreien. Bisher hatten nur wenige Passanten das Geschehen mitverfolgt, aber nun drehten sich immer Menschen um, blieben stehen und kamen schließlich näher.
„Halt jetzt endlich deine Klappe“, befahl Fischer.
„Hilfe, ich ver...“
Daniel riss an den Handschellen, sodass der Mann aus dem Gleichgewicht geriet und taumelte. Fischer bremste seinen Sturz mit dem eigenen Körper.
„Sei jetzt still oder wir werden heute keine Freunde mehr“, flüsterte er dem anderen ins Ohr. „Okay?“
Der Junkie hörte auf zu schreien. Sein Kopf wandte sich nach hinten, aber er schaffte es nicht, Fischer in die Augen zu sehen.
„Aber dann musst du mir einen blasen“, grinste er.
Daniel Fischer seufzte. Ein verrückter Junkie und eine Hausfrau, die inzwischen auf den Knien herumrutschte, um auch noch das letzte Salatblatt aufzuheben.
Alltag!
Er hatte eine Stunde vertrödelt. Als er auf die Uhr sah, musste er feststellen, dass es kurz vor 19.00 Uhr war. Er hatte noch keine Lebensmittel eingekauft. Draußen verschwand die Sonne hinter einem blutroten Horizont. Die Häuser warfen dunkle, lange Schatten, die an Spielzeuge für Riesen erinnerten.
Der Supermarkt am Ortsrand hatte bis 20.00 Uhr geöffnet, somit war es noch nicht zu spät. Seine Beinprothese schmerzte von der ungewohnten Anstrengung. Selbst jetzt, nach über einem Jahr hatte sich Daniel noch nicht daran gewöhnt. Er konnte mit seinem künstlichen Bein fast natürlich gehen, aber ein leichtes Hinken verriet seine Behinderung.
Daniel schlüpfte in seine Windjacke und zog die Baseballmütze tief ins Gesicht. Die einsetzende Dunkelheit würde seine Hässlichkeit verbergen, solange er sich auf der Straße oder im Auto befand, aber ihn graute bei dem Gedanken, sich der hellen Beleuchtung des Einkaufszentrums aussetzen zu müssen.
Die Patienten im Krankenhaus und später in der Waldbergklinik hatten ihn auch angestarrt, doch an solchen Orten war sein Aussehen nicht allzu ungewöhnlich. Viele Menschen liefen dort mit Verbänden im Gesicht herum, bei anderen verrieten rosig glänzende Narben die Schwere ihrer Verletzungen. Aber hier, im Alltag war die Plattform die Normalität und der entsprach er nicht mehr. Die Menschen würden gaffen, ihn anstarren, miteinander flüstern oder betreten wegsehen, aber eines würden sie gewiss nicht tun, dieses Monster in Menschengestalt ignorieren.
Daniel wurde schlecht bei dem Gedanken, was ihn erwartete, doch ihm blieb keine Wahl. Er brauchte Lebensmittel, Getränke und Dinge für den täglichen Gebrauch. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, einen Freund anzurufen, um ihn zu bitten, den Einkauf zu erledigen, aber gleich darauf er verwarf die Idee wieder. Früher oder später musste er sich seiner Umwelt stellen. Und heute war ein genauso guter Tag wie jeder andere.
Er seufzte leise. Dann glitt seine Hand in die Jackentasche und er zog eine kleine, weiße Plastikdose heraus. Beruhigungsmittel. Er nahm zwei
Weitere Kostenlose Bücher