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Das Hades Labyrinth (German Edition)

Das Hades Labyrinth (German Edition)

Titel: Das Hades Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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der kreisrunden Pillen und schluckte sie ohne Wasser herunter. Die Tabletten waren an sich geschmacklos, aber für ihn schmeckten sie nach Angst. Daniel hätte am liebsten vor Verzweiflung geweint, aber dann riss er sich zusammen.
    Leben oder Sterben, alles ist eins, dachte er und ging zur Tiefgarage hinunter.
     
     
    Das Einkaufszentrum mit seinen fast schmerzlich hellen Neonröhren an der Decke erwies sich für Daniel noch schlimmer, als er es sich vorgestellt hatte. Trotz der vorgerückten Stunde herrschte eine lärmende Betriebsamkeit vor. Menschen jeder Altersklasse und jeder sozialen Schicht schienen einen Wettkampf auszutragen, für den es keine Regeln gab. Einkaufswagen ratterten über einen unnatürlich glänzenden Boden, Mütter riefen entnervt ihren Kindern hinterher, während eine sinnlich klingende Frauenstimme aus den Lautsprechern die neuesten Sonderangebote vorlas. Der Lärm im Center war nach der Ruhe in der Klinik ohrenbetäubend.
    Daniel zögerte kurz, dann schob er seinen Einkaufswagen durch zwei, sich automatisch öffnende Sperrflügel. Zunächst schien ihn niemand zu bemerken und er entspannte sich ein wenig, aber dann blieb direkt vor ihm ein kleiner Junge stehen und sah zu ihm auf. Der Junge, er mochte zehn Jahre alt sein, öffnete seinen Mund und schluckte heftig. Daniel tat nichts, denn er wusste nicht, wie er in dieser Situation reagieren sollte. Ein Schrei löste sich aus dem Mund des Jungen. Köpfe wandten sich zu ihm um. Eine Frau in mittleren Jahren hetzte von einem nahen Regal herüber. Ihre langen roten Haare wehten wie Fahnen im Wind, als sie voll mütterlicher Sorge zu ihrem Sohn rannte.
    „Was haben Sie...“
    Die Worte erstarben auf ihren Lippen, als Daniel den Kopf anhob. Die Augen der Frau weiteten sich, ihr Gesicht wurde blass. Ohne ein weiteres Wort fasste sie nach der Hand des Jungen und zog ihn fort. Daniel sah, wie sie ein paar Meter weiter stehen blieb und ihren Sohn tröstend in die Arme schloss. Andere Käufer waren durch die Szene auf ihn aufmerksam geworden und gafften ihn an. Die Lärmkulisse hatte nicht abgenommen, trotzdem fühlte sich Daniel plötzlich, als wäre er in einer gigantischen Seifenblase gefangen, die alle Geräusche dämpfte. Er senkte den Kopf und schob seinen Einkaufswagen an.Seine Nervosität nahm weiter zu. Für einen Augenblick vergaß er sogar die korrekten Bewegungsabläufe, mit denen er seine Beinprothese bewegen musste.Er humpelte die Regalreihen entlang und warf wahllos Lebensmittel in den Metallkorb. Als er endlich an der Kasse anstand, war er scheißgebadet. Sein Hemd klebte feucht an seinem Körper. Schweiß rann ihm über die Stirn und brannte in seinen Augen. Er blinzelte heftig, aber es half nicht. Schließlich musste er sich mit dem Ärmel seiner Jacke über das Gesicht wischen. Eine Bewegung, die noch mehr Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. Menschen, die vor ihm in der Schlange standen, wandten sich um. Wieder wurde er begafft. Daniel spürte, wie Übelkeit in ihm aufstieg. Ein säuerlicher Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. Er schluckte, aber das Gefühl, sich gleich erbrechen zu müssen wurde noch schlimmer.
    Bitte, flehte er innerlich. Alles, aber nicht das.
    Die Leute vor ihm bildeten eine Gasse. Daniel zögerte nicht und schob seinen Einkaufswagen durch die sich auftuende Lücke.
    Eine ältere Dame mit grauen Haaren, die zu einem Knoten zusammengefasst waren, raffte ihre Einkäufe, die bereits auf dem Laufband lagen, zusammen und warf sie zurück in den Einkaufswagen.
    „Gehen Sie ruhig vor“, murmelte sie, ohne ihn direkt anzublicken.
    Daniel flüsterte ein heiseres ‚Danke’ und drängte an ihr vorbei. Die Kassiererin starrte ihn zunächst an, dann senkte auch sie den Blick und zog hastig seine Einkäufe über den Strichcodeleser. Daniel bezahlte mit seiner EC-Karte und eilte zurück in die Tiefgarage des Supermarkts. Hinter einer wuchtigen Steinsäule, gab er seinen Widerstand auf und erbrach sich auf den grauen Asphalt.
     
     
    3. Das Schweigen des Geistes
     
    Die Papiertüten auf seinen Armen wogen schwer, während er die Treppe zum Hauseingang hinaufstapfte. Der Türschlüssel steckte in seiner Jacke. Als sich Daniel bückte um die Tüten abzustellen, riss das braune Papier der Tüte auf seinem linken Arm und der gesamte Inhalt platzte heraus. Flaschen zerbrachen, ein Gurkenglas zersplitterte mit einem Knall, Butter, Obst und Gemüse lagen verstreut zu seinen Füßen.
    Daniel fühlte Tränen aufsteigen. Er

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