Das Hades Labyrinth (German Edition)
seines erhaltenen Beines abgestimmt war.
Daniel griff nach seiner grünen Anziehhilfe, steckte seinen Stumpf hinein und zog sich damit in den Prothesenschaft. Er war dabei sehr gewissenhaft, weil er wusste, dass die Prothese hundertprozentig sitzen musste, damit er gut gehen kann. Heute war er etwas nervös beim Anziehen und merkte sofort, dass die Prothese nicht richtig saß. Er zögerte kurz, dann zog er sie wieder aus und versuchte es erneut.
Er wollte gerade die Wohnung verlassen, als das Telefon klingelte. Zögernd stand er in der Tür, dann schloss er sie wieder und nahm den Hörer ab.
„Daniel Fischer.“
„Hallo.“
Nur ein Wort, aber sein Magen begann zu fliegen.
„Was willst du, Sarah?“
„Hören, wie es dir geht.“
„Gut. Woher weißt du, dass ich wieder da bin?“
„Andreas hat es mir erzählt.“
Fischer fluchte in Gedanken. Konnte Dormark nie seine Schnauze halten?
„Okay, jetzt weißt du, wie es mir geht. War es das?“
„Daniel“, ihre Stimme bat um Verständnis.
Fischer legte den Hörer auf die Station.
Die Kaserne der SEK Hellstadt befand sich etwas abseits einer stark frequentierten Landstrasse. Ulmen und knorrige Buchen säumten den Asphalt, als Daniel auf das geschlossene Tor zufuhr. Ein Wachmann kontrollierte seine Papiere, hielt kurz Rücksprache mit der Zentrale und wies ihm dann den Weg.
Daniel stellte den Wagen vor einem Ziegelbau ab, von dem er vermutete, dass er früher einmal als Fabrik gedient hatte. Eine Gruppe junger Männer in grünen Polizeitrainingsanzügen joggte an ihm vorbei. Daniel senkte den Kopf, als sie auf seiner Höhe waren, aber niemand beachtete ihn. Sein Versetzungsschreiben in der Hand haltend, betrat er das Gebäude.
Drinnen war es empfindlich kalt. Ohne es zu bemerken, zog Daniel die Schultern hoch. Der Geruch von feuchtem Papier und altem Holz drang ihn in die Nase, denn so roch es in jedem Amtgebäude. Daniel spürte vertraute Erinnerungen in sich hochsteigen.
Der Boden war mit den üblichen grauen Platten belegt, die mehr an die Pflasterung einer Außenanlage erinnerten, als an den Flur eines Verwaltungsgebäudes. Daniel hielt auf den verglasten Empfangsschalter zu. Ein ziviler Beamter hob in dem Moment den Kopf, in dem Daniel das Schreiben auf Höhe seines Gesichts gegen die Glasscheibe presste.
„Zweiter Stock. Zimmer 203. Sie sind angemeldet und können gleich raufgehen.“
Daniel wandte sich um und stieg eine breite, geschwungene Treppe nach oben. Am Ende der Stiegen erwartete ihn ein dunkler Gang, dem er nach links folgte. Schließlich stand er vor Zimmer 203. Kommandoführer Polizeioberrat L. Bodrig stand in weißen Lettern auf einem grauen Plastikschild neben der Tür. Daniel sog die Luft ein. Sein Herz klopfte vor Aufregung und ein bekanntes Schwindelgefühl erfasste ihn. Bevor die Angst sich ausbreiten konnte, klopfte er zweimal an.
„Kommen Sie rein“, erklang es von innen.
Daniel betrat ein Zimmer, durch dessen Ostfenster helles Sonnenlicht hereinfiel. Nach dem dunklen Flur blendete ihn das Licht und er musste sich orientieren. Der Raum maß fünf auf fünf Meter und wurde von einem mächtigen Schreibtisch aus massivem Holz dominiert. An einer Wand stand ein altes Metallregal, von dem der schwarze Lack abblätterte. Dutzende Leitzordner kämpften darin um jeden Zentimeter freier Fläche. An den Wänden hingen Urkunden von sportlichen Wettbewerben. In einer Ecke des Zimmers verkümmerte eine Birkenfeige, deren dürre, fast blattlose Äste verrieten, dass es der Büronutzer mit dem Pflanzengießen nicht so genau nahm.
„Sie sind Fischer“, stellte der Mann hinter dem Schreibtisch fest. Sein massiger Körper verdeckte vollkommen den Stuhl, auf dem er saß. Er hatte hellblonde Haare, die zu einem Bürstenschnitt geschnitten waren, helle, strahlend blaue Augen und ein kantiges Gesicht, dem man ansah, dass er sich viel im Freien aufhielt. Sein Mund verzog sich zu einem unfreundlichen Grinsen und entblößte dabei blendend weiße Zähne.
„Sie sind Fischer“, wiederholte er. Er erhob sich nicht, um ihn zu begrüßen. Daniel hatte schon nach diesen ersten Sekunden das Gefühl, hier nicht willkommen zu sein.
„Hauptkommissar Bodrig?“
„Ja“, antwortete der Polizeioberrat knapp und deute auf das Schreiben in Fischers Hand. „Her damit.“
Daniel übergab ihm den Versetzungsbefehl. Bodrig ließ sich Zeit beim Lesen. Er bot Daniel nicht an, Platz zu nehmen, obwohl auf seiner Seite des Schreibtisches
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