Das Hades Labyrinth (German Edition)
wir abgeblieben sind.“
„Leon“, versuchte es Merkan noch einmal. „Wir sind schon seit Stunden unterwegs und haben weder die Geisel noch Tepes aufgespürt. Wir sollten die neue Lage mit der Einsatzzentrale abklären.“
„Führst du jetzt das Kommando?“
„Nein.“
„Genau. Ich habe die Verantwortung und ich sage, wir gehen weiter. Tepes kann nicht weit sein. Er denkt, dass wir ihn hier oben nicht finden, also können wir ihn vielleicht überraschen. Jetzt umzukehren wäre absoluter Blödsinn. Wir haben ein klares Einsatzziel. Die Geisel muss hier irgendwo sein. Wenn wir jetzt Zeit dadurch verschwenden, dass wir uns erst mit der Zentrale beraten, die uns dann sowieso wieder losschickt, weil sie die Geisel nicht einfach ihrem Schicksal überlassen kann, wird es vielleicht zu spät für die Frau sein. Wir wissen nicht, was Tepes mit ihr vorhat und ich möchte es nicht dadurch herausfinden, dass ich einen verstümmelten Leichnam untersuche. Deshalb sage ich, wir gehen weiter. Irgendjemand anderer Meinung?“
Niemand wagte es, ihm zu antworten. Fischer erhob sich umständlich, richtete den Lauf seiner Waffe nach vorn und betrat die nächste Höhle.
Aus den Aufzeichnungen von Vlad Draculea, Sohn von Vlad Dracul, dem Drachen
Die Zahl meiner Feinde wurde Legion. Mehrfach versuchten die Türken, mich ermorden zu lassen. Hazma, ein Fürst wie ich es bin, hätte beinahe Erfolg gehabt. Ich hatte die Türken damit verärgert, dass ich eine ihrer Gesandtschaften pfählen ließ. Warum ich dies tat, weiß ich nicht mehr. Damals war ich unbeherrscht und es genügte schon eine kleine Respektlosigkeit, um meinen Zorn zu erregen. Hazma legte mir einen Hinterhalt, von dem ich aber durch einen verräterischen Getreuen aus seinem engsten Vertrautenkreis erfuhr. Als mir Hazma auflauerte, wusste er nicht, dass ihn meine Truppen bereits umzingelt hatten. An diesem Tag ließ ich viertausend Türken pfählen. Der Verräter, der mir Hazmas Plan angekündigt hatte, hing an einem Pfahl neben dem „Beg von Nicopolis“. Ich habe nichts für wankelmütige Charaktere übrig.
Dieser Zwischenfall verärgerte den türkischen Hof derart, dass Sultan Mehmed II. mit seiner Armee aus Arabern, Sepoy, Janitscharen und Anatoliern die Donau überquerte, um mich vom Thron zu vertreiben. In seinem Gefolge befand sich mein jüngerer Bruder Radu, der wohl nach meinem Sturz den Thron der Walachei einnehmen sollte. Ihr Heer war gigantisch. Einhundertfünfzigtausend voll ausgebildete Soldaten standen meinen nur schlecht bewaffneten dreißigtausend Bojaren gegenüber. Mir blieb nicht als der Rückzug. Eine offene Feldschlacht wäre blanker Wahnsinn gewesen. Auch wenn an den Höfen Europas stets das Gerücht kursierte, ich wäre geisteskrank, bewies doch meine Tat, dass ich durchaus in der Lage war, vernünftige Entscheidungen zu treffen.
Natürlich gab es in meinem Lager genug Anführer, die mir trotzdem zu einer klassischen Schlacht auf offenem Felde rieten. Für dermaßen unmodernen, an der Wirklichkeit vorbeigehenden Heldenmut hatte ich keine Verwendung. Ihre gepfählten Leiber waren das Erste, was die Türken von meiner Armee zu sehen bekamen.
Eine derartig riesige Armee, wie sie der Sultan gegen mich aufbot, wollte versorgt sein. Kein Heerestross der Welt kann so viele Vorräte mit sich führen. Ich beschloss, dass kein Türke auch nur ein Weizenkorn meines Landes und keinen Tropfen Wasser zu sich nehmen sollte. Auf unserem Rückzug ins Zentrum meines Reiches ließ ich alle Felder niederbrennen. Das Vieh wurde zusammengetrieben und geschlachtet, sämtliche Brunnen vergiftet. Ich legte mein eigenes Land in Schutt und Asche und spürte... ich fühlte nichts beim Anblick meiner verhungernden Bauern. Hier ging es nicht um eine einzelne Schlacht, einen kleinen Krieg. Nein, eine Niederlage würde den Untergang des Reiches bedeuten. Die Walachei, unsere geliebte Heimat, würde dem türkischen Reich einverleibt werden und aufhören zu existieren. Ich musste hart, ich musste grausam sein, wollten wir alle überleben.
24. Die Wogen eines steinernen Ozeans
23.17 Uhr
Es war eine neue Welt, in die sie eintraten. Schön und verwirrend zugleich offenbarten sich ihnen die Wunder der Natur. Schlanke Stalaktiten hingen wie von Zauberern gesponnene Fäden von der Felsendecke herab, strahlten und glitzerten im Schein der Lampen. Massige Stalagmiten, im Lauf der Jahrtausende von herabtropfendem kalkhaltigem Wasser erschaffen, erinnerten
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