Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
Dank«, sagte Steffi ironisch, aber Herr Dreher hob nur abwehrend die Hände. »Awer ich bidd Se, des isch doch selbschdverschdändlich.«
    Die empfohlene Gaststube reizte uns wenig, eine Mitgliedervollversammlung hatten wir noch nie miterlebt, und so entschieden wir uns für die Ehrenplätze gleich neben dem Tisch des Vorstands. Auf Anraten unseres Gastgebers bestellte ich ein Glas beinahe einheimischen Wein, während Steffi auf ihrem Lieblingsgetränk bestand, irgendeiner Mixtur, die wie abgestandenes Bier aussah und auch nicht viel anders schmeckte. »Keine Angst, ist alkoholfrei. Ich muß ja noch fahren.«
    Der Kassenwart hatte seine Vorlesung beendet, man klatschte Beifall, dann wurde abgestimmt, ob man den Herrn entlasten könne. Man konnte, denn zufrieden lächelnd setzte er sich wieder. Die Bedeutung dieses Vorgangs wurde mir erst später klar, nachdem man auch den Schriftführer, den stellvertretenden Schriftführer, den ersten Vorsitzenden, den zweiten Vorsitzenden und den Kulturwart entlastet hatte. Im Klartext hieß das, die Herren hatten ihre Sache gut gemacht.
    »Wie lange wollen die denn noch labern?« stöhnte Stefanie und orderte das dritte Glas Spezi.
    Der nächste Redner trat vor. Diesmal war es der Materialverwalter. »Nach der letzten Bestandsaufnahme verfügt der Münkensteiner Kultur- und Heimatverein über folgende Sachwerte: Eine Videoanlage bestehend aus einer Kamera, einem Wiedergabegerät, 16 bespielten und elf unbespielten Kassetten, drei Scheinwerfern, 98 Wein- und Biergläsern, 117 Meter Lichterkette bunt, einem Diaprojektor…«
    »Mir reicht’s, wenn ich nicht sofort an die frische Luft komme, fange ich an zu schreien«, flüsterte ich Steffi zu.
    »Warte, ich gehe mit!«
    Das Schneetreiben hatte aufgehört, aber immer noch war es lausig kalt. Bald schoben wir uns frierend wieder in den Flur. Erst jetzt fiel mir auf, daß ich meinen Sohn überhaupt noch nicht gesehen hatte. »Wo steckt eigentlich Sven?«
    »Das habe ich mich auch gerade gefragt«, meinte Steffi nachdenklich. »Paß auf, der hat das total vergessen! Zuzutrauen wäre es ihm.«
    »Unsinn, wir haben vorgestern noch telefoniert, und da hat er mir fest versprochen, pünktlich zu sein.«
    »Der lebt doch in einer eigenen Zeitzone.«
    »Merkwürdig ist es schon«, gab ich zu, »aber wahrscheinlich wollte er sich . das ganze Geschwafel ersparen und kommt erst kurz vor neun.«
    »Jetzt ist es halb zehn«, sagte Steffi mitleidlos.
    »So spät schon? Wenn die da drinnen nicht in den nächsten fünf Minuten aufhören, verschwinden wir.«
    Ich muß wohl über telepathische Fähigkeiten verfügen, denn plötzlich hörte man im Saal ein Stühlerücken, Stimmengewirr setzte ein, und Herr Dreher stürmte aus der Tür. »Jetzt sin mer ferdich, mer müsse nur noch de neue Vorschdand wähle. Heschdens zehn Minude, weil ja doch alles beim alde bleibd.«
    Es dauerte zwanzig, und Sven war noch immer nicht aufgetaucht. Sein Freund Michael, den ich auf seinem Weg zu den Installationen dieses Hauses angehalten hatte, wußte auch nichts Genaues. »Die feiern zwar heute oben in der Hütte, aber er hat mir gesagt, daß er noch runterkommt.«
    Nun verstand ich gar nichts mehr. »Wer feiert was?«
    »Der Funkerclub hat seine Faschingsparty.«
    »Wo?«
    »In der Hütte vom Wanderverein.«
    »Ist das weit weg?«
    »Das nicht gerade, aber allein finden Sie da nie hin!«
    »Will ich auch gar nicht, aber könntest du nicht mal rauffahren und meinem Sohn in den Allerwertesten treten? Schließlich hat er mir die ganze Sache hier eingebrockt, da kann ich zumindest erwarten, daß er auch hier ist. Sag ihm, wenn er nicht gleich auf der Matte steht…«
    »Kann ich nicht, ich hab noch keinen Führerschein.«
    »Dann fahre ich eben«, erbot sich Stefanie.
    Weitere Dispositionen erübrigten sich, denn nun kam Herr Dreher und geleitete mich feierlich in den Saal. Dort herrschte mittlerweile reges Treiben. Die Vereinsmitglieder, froh, die endlose Sitzung überstanden zu haben, quirlten durcheinander, begrüßten sich, tauschten Neuigkeiten aus, Kellnerinnen schlängelten sich durch die Menge, und es bedurfte eines energischen Gebimmels mit der Kuhglocke, bevor sich Herr Dreher Gehör verschaffen konnte.
    »Un jetzt, liebe Oowesende, komme ma zum Höhepunkt von dem heidige Owend. Wie scho in de eich vorliegende Dagesordnung oogekindicht, hewe mir en Gaschd bei uns, und zwar isch des die Mudder von unsern verdiende Videofilmer Sven.«
    Der erwartete Beifall blieb

Weitere Kostenlose Bücher