Das hätt' ich vorher wissen müssen
und bedankte sich artig für meine Zusage. Ob es mir recht sei, wenn er nächste Woche mal kurz bei mir vorbeikäme? Er sei ohnehin in der Nähe, dann könne man auch die Einzelheiten besprechen.
Jetzt konnte ich nicht mehr zurück! Daran änderte auch die Tatsache nichts, daß Herr Dreher nicht allein, sondern mit Frau, Schwester und Nichte antrabte, mir neben einem Gewürzblumensträußchen auch ein riesiges Kuchenpaket überreichte, weil ich auf so einen massierten Überfall bestimmt nicht vorbereitet sei. Man habe gerade die Oma im Altersheim besucht, aber bei dem Regen könnten die drei Damen nun doch nicht spazierengehen, was sie eigentlich vorgehabt hätten, um die Unterredung nicht zu stören.
Also kochte ich Kaffee, und während ich den Tisch deckte, erläuterte mir Herr Dreher sehr ausführlich seine Vorstellungen von der »Dichterlesung«: »Näschde Monat hewe ma Hauptversammlung. Do komme alle Mitglieder, wo meischdens noch ihr Familie mitbringe, so daß Se e großes Publikum hawe were.«
Das klang ganz vielversprechend, aber – »Generalversammlungen sind doch etwas Offizielles, weshalb brauchen Sie dazu noch ein Rahmenprogramm?«
»So förmlich isch es bei uns net. Mir miede immer de große Saal vom ›Lamm‹, doo passe zweihunnert Persone nei, sogar e Bühn’ isch do, un au sonscht geht’s uf dene Versammlunge ganz locker zu. Um halwer achde fängt de Sitzung an, die Dagungspunkte hewe mir schpädeschdens um neune erledicht, un wenn Se dann noch e halwe Schtund vorlese, wär des en arg scheener Abschluß des Owends. Se brauche aach gar net früher komme, heschdens de Belange von unserm Kulturverein intressiere Se. Dann sin Se freilich unsern Ehregascht.«
Der würde ich zweifellos sein, aber die Statuten eines weltabgeschiedenen Theatervereins reizten mich herzlich wenig. »Auf jeden Fall bin ich vor neun Uhr dort«, versprach ich, ohne mich auf eine genaue Zeit festzulegen. Es würde sowieso ein Problem werden, dieses Münkenstein überhaupt zu finden. Meine Unfähigkeit, unbekannte Orte anzufahren, ist schon Legende. Zum letzten Geburtstag hatten mir die Kinder sogar einen Taschenkompaß geschenkt sowie einen Leitfaden für Pfadfinder. aber trotz dieser nützlichen Utensilien kam ich immer erst nach häufigem Fragen und endlosen Umwegen ans Ziel.
Nachdem sich Familie Dreher unter vielen Dankesbezeugungen verabschiedet hatte, hängte ich mich ans Telefon und rief Stefanie an. »Jetzt ist es amtlich! Am Achtzehnten habe ich meine erste Lesung in Münkenstein. Kommst du mit?«
»Wo liegt denn das überhaupt?«
»Autobahn bis Stuttgart, und dann rechts ab quer durch die Pampa.«
»Heiliger Himmel, da findest du doch nie hin!«
»Eben! Deshalb sollst du ja auch fahren!«
Sie zögerte einen Moment. »Meinetwegen, dann nehme ich mir für den nächsten Tag Urlaub. Was kriege ich denn dafür?«
»Ein kostenloses Abendessen und den Blumenstrauß, den man mir nach Abschluß des Spektakels wahrscheinlich überreichen wird.« Das kannte ich vom Fernsehen, da bekamen weibliche Mitwirkende immer dekoratives Grünzeug.
Steffi lachte. »Und vergiß deinen Fotoapparat nicht, ich muß das bedeutende Ereignis für die Nachwelt konservieren.«
»Brauchst du nicht. Sven ist doch offizieller Hoffotograf bei diesem Klüngel, der wird sich schon gebührend in Szene setzen.«
Nun hatte ich noch drei Wochen Zeit, mich auf die Lesung vorzubereiten. Da blieb zunächst einmal die Frage, was ich vortragen sollte. Die bisher erschienenen Bücher hatten in Münkenstein schon die Runde gemacht (Sven hatte sich von mir bereits neue Exemplare geben lassen, weil seine alten langsam in ihre Bestandteile zerfielen), angeblich hatten einige Kulturapostel sogar selbst welche gekauft – ich konnte also davon ausgehen, daß den meisten potentiellen Zuhörern der Inhalt meines bisherigen Gesamtwerkes bekannt war. Von mir selbst ganz zu schweigen! Das neue Opus bestand zwar erst aus knapp vierzig Schreibmaschinenseiten, aber zwei Kapitel waren schon vollständig, und die müßten eigentlich genügen. So ganz nebenher könnte ich sogar ausloten, ob die Thematik überhaupt »ankommen« würde. Wenn nicht, dann wußte ich wenigstens, was ich mit dem Manuskript machen mußte. Der beste Freund eines Autors ist – neben der Kaffeekanne – der Papierkorb!
Am folgenden Tag übte ich Vorlesen. Zu diesem Zweck holte ich den Kassettenrecorder, vergewisserte mich, daß niemand im Haus war, schloß vorsichtshalber noch die Zimmertür
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