Das hätt' ich vorher wissen müssen
Erscheinung trat, und entschied mich für die Heimreportage. Es muß wohl die richtige Wahl gewesen sein! Frau Höfer notierte die ersten Vorbestellungen, und wehe dem Herrn Verleger, wenn er das Buch nicht herausbringt. Zumindest in Hammershausen dürfte er sich nicht mehr blicken lassen!
In Nürnberg sitzt die Lebkuchenindustrie. Das weiß ich deshalb, weil uns Tante Lisbeth jedes Jahr zu Weihnachten ein Paket direkt vom Hersteller schicken läßt. Das ist bequem, und »die Kinder freuen sich ja immer so«. Daß die Kinder inzwischen über das Pfefferkuchenhäuschenalter hinausgewachsen sind, hat sie noch nicht zur Kenntnis genommen.
In Nürnberg gibt es auch ein Spielzeugmuseum. Das habe ich aber nur von außen gesehen, weil wir während unserer Irrfahrt zweimal daran vorbeigekommen sind.
In erster Linie ist Nürnberg aber eine Großstadt, und wie jede echte deutsche Großstadt baut sie eine U-Bahn. So was dauert lange, ist teuer und behindert den Verkehr. Einheimische wissen, wie sie unter Umgehung der neugeschaffenen Einbahnstraßen doch noch an ihr Ziel kommen. Ortsfremde verlassen sich auf den Stadtplan und merken erst zu spät, daß er nicht mehr stimmt. Den Bahnhof haben wir genau sechsmal umfahren, weil jeder, den wir nach dem Wegfragten, mit dem gleichen Satz begann: »Da müssen Sie erst mal um den Bahnhof rum und dann…« Als wir zum siebtenmal vor der Ampel standen und die große Digitaluhr nebst Thermometer im Blick hatten, stellten wir fest, daß seit Beginn der Odyssee fast zwei Stunden vergangen waren und die Luft sich um vier Grad erwärmt hatte.
»Wenn wir nicht so lange weiterfahren wollen, bis die Temperatur wieder sinkt, muß uns endlich was einfallen«, bemerkte Steffi ganz richtig. Ich bewunderte ihren Gleichmut, mit dem sie immer wieder in dieselbe falsche Straße einbog, jedesmal aufs neue hoffend, in diesem Wust von überklebten, abgeänderten und zusätzlich angebrachten Wegweisern den richtigen zu finden. Plötzlich steuerte sie einen Taxistand an. Kurzes Palaver, der Fahrer nickte grinsend, dann kam sie zurück.
»Der fährt jetzt vor uns her. Am besten heuern wir ihn gleich für den Rest des Tages an, auf Dauer gesehen ist das die preiswertere Lösung.«
Das war aber nicht nötig, denn unser Hotel lag unmittelbar neben der Fußgängerzone, und genau dorthin mußten wir. »Au fein«, sagte Steffi, »wir gehen bummeln. Zeit genug haben wir ja.«
»Wir bummeln nicht, wir besichtigen! Tu endlich mal was für deine Bildung! Lorenzkirche, Frauenkirche, Gänsemännchenbrunnen, Dudelsackpfeiferbrunnen…« Ich leierte alles herunter, was vom Geschichtsunterricht noch hängengeblieben war.
»Ich will nicht Kultur, ich will Schaufenster gucken. Außerdem steht die Frauenkirche in München, da war ich schon drin.«
»In Nürnberg gibt es auch eine.«
»Da können sich die Nürnberger aber freuen.«
Natürlich kam sie doch mit. Mürrisch stapfte sie zwei Meter hinter mir her, interessierte sich weder für Tucheraltar noch für das Sakramentshäuschen, wurde erst munterer, als sie das im Keller der Mauthalle gelegene Restaurant bemerkte. »Hast du eigentlich keinen Hunger?«
Frisch gestärkt war ich nun auch bereit, meinen Arbeitsplatz in Augenschein zu nehmen. Endlich ein Vorschlag, der Steffis volle Zustimmung fand. Ich weiß nicht, weshalb Warenhäuser auf Jugendliche solch eine magische Anziehungskraft haben. Sie kaufen ja doch nichts, können aber stundenlang im Wühltischangebot herumkramen, um sich dann mit einer Bluse in Großblumenbaumwollbatist vor den Spiegel zu stellen und zu sagen: Igitt, wie kann jemand bloß mit so was rumlaufen?
Ich ließ Steffi bei den Duftwässerchen stehen, von denen sie noch nicht mal die Hälfte durchprobiert hatte, und machte mich auf die Suche nach der Buchabteilung. Im obersten Stockwerk fand ich sie. Links davon Puppen, rechts davon Legosteine und Pappflugzeuge zum Selberbasteln. Na ja, immer noch besser als Schlafzimmermöbel.
Im übrigen sah ich noch keinerlei Vorbereitungen, obwohl die Autogrammstunde bald beginnen sollte. Es war auch ziemlich leer hier oben, kaum Kunden zu sehen. Hinten bei den Gardinen standen zwei, einer guckte Teppiche an, zwei weitere eilten zum Erfrischungsraum. Ich schloß mich ihnen an.
Steffi wartete schon. »Is aber’n müder Betrieb hier oben. Unten ist mehr los.«
»Kann ja noch kommen. Im Augenblick interessiert mich viel mehr, wo Herr Sebaldt bleibt. Der müßte längst dasein.«
War er auch, nur hatte er
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