Das hätt' ich vorher wissen müssen
zu, und für das Tagesgericht vom Bräustübel, Leberknödelsuppe und Kalbsgeschnetzeltes, konnten wir uns nicht so recht erwärmen.
Frau Höfer freute sich aufrichtig, als wir in ihren Laden marschierten. »Endlich hob ich en Grund zum Kaffeetrinken. Bärbele, hole mal Kaffeestickscher!«
Es war eine vergnügliche Runde, die da literweise Kaffee trank und Kalorien in sich hineinschaufelte. Von der allgemein üblichen Hierarchie im Geschäftsleben hielt Frau Höfer nicht viel, Lehrmädchen wie Hausherr machten sich gleichberechtigt über die Cremetorte her, und das letzte Stück bekam der kleine Knirps, der doch nur ein Rechenheft hatte kaufen wollen.
Hier gefiel es mir! Wenn die übrigen Bewohner von Hammershausen genauso freigebig waren – nicht mit Torte, Beifall wäre mir lieber! –, dann durfte heute abend eigentlich nichts schiefgehen.
Die Lesung sollte in der alten Poststation stattfinden, kulturelles Zentrum der Gemeinde Hammershausen, denn dort war die Stadtbibliothek untergebracht, der Probensaal für den Kirchenchor sowie das Verkehrsamt. Kurz vor Beginn der Veranstaltung stand ich mit Steffi auf dem Hof und suchte im Kopfsteinpflaster nach Hufabdrücken, die dreihundert Jahre alt und noch immer deutlich zu sehen sein sollten. Hin und wieder schielte ich zum Eingang, vor dem sich doch eigentlich die Besuchermassen hätten stauen müssen, wenn das Interesse an meinem Gastspiel so groß war, wie Frau Höfer behauptet hatte. Ich sah aber nur einen einzelnen Herrn, der suchend umherirrte und schließlich Anstalten machte, den Hof wieder zu verlassen.
»Der will bestimmt zu dir und findet nicht hin«, mutmaßte Stefanie, »ich fange ihn mal ein.«
Er wollte aber gar nicht zur Lesung, sondern zu Herrn Pfeifer in der Postgasse 9. »Wissen Sie vielleicht, wo das ist?«
»Ich glaube, wir müssen«, seufzte ich, als die Turmuhr acht schlug. Von mir aus hätte die Treppe gar kein Ende zunehmen brauchen. Was sollte mich da oben im Lesesaal schon erwarten? Leere Stuhlreihen und eine ratlose Frau Höfer, die nach einer glaubhaften Entschuldigung suchte. Ich gab mir einen Ruck, öffnete die Tür und – prallte zurück. Der Raum war voll. Sogar zwischen die Bücheregale hatte man Stühle gestellt, das merkte ich erst, als der Auftrittsapplaus noch aus den verstecktesten Winkeln kam. Wo waren die Leute bloß alle hergekommen?
»Mir hawwe Se schun überall gesucht! Moin Monn hat bereits in Ihr’m Hodel ongeruffe, awwer do worn Se jo a net!« Frau Höfer war sehr erleichtert, als sie uns sah.
Die wundersame Publikumsvermehrung klärte sich schnell: Steffi und ich hatten am Hintereingang gewartet!
Auch dieser Abend verlief anders als vorgesehen. Nachdem ich Tante Klärchen abgespult – sicher ist sicher! – und endlich wieder einmal die ersehnte Resonanz gefunden hatte, hängte ich noch ein Kapitel dran und läutete die Pause ein. Kaum jemand blieb sitzen, die meisten Zuhörer kamen nach vorne, stellten Fragen, wollten wissen, wie alt meine Kinder denn jetzt seien, was sie täten, ob sie noch zu Hause wohnten und wo denn das überhaupt sei… Ich rief Steffi zu Hilfe, die nun ihrerseits umlagert wurde und munter aus dem Nähkästchen plauderte. Die zehn Minuten waren längst vorbei, niemand machte Anstalten, auf seinen Platz zurückzukehren, die Fragen gingen weiter, ob ich etwas Neues in Arbeit hätte, wann es herauskäme, und welche Thematik es denn habe.
Da kam mir eine Idee: Im Wagen lag das angefangene Manuskript zu diesem Buch. Für Tinchens Problem mit Tante Klärchen interessierte sich sowieso kein Mensch mehr, die meisten hatten den Roman ohnehin schon gelesen, das hatte ich mittlerweile herausgefunden, jetzt war meine Familie wieder aktuell geworden. Ich flüsterte Steffi etwas zu, sie nickte verstehend und entwetzte.
»Man soll ja nicht über ungelegte Eier sprechen«, wandte ich mich an meine Zuhörer, »und wenn ich es heute trotzdem tue, dann nur, weil Sie ein so ausnehmend nettes Publikum sind.« Na ja, war ja wohl ein bißchen sehr dick aufgetragen, schadet aber nichts, nett sind sie wirklich alle.
»Wenn Sie einverstanden sind, dann lese ich Ihnen jetzt noch ein Kapitel aus dem ›Unvollendeten‹ vor, von dem ich hoffe, daß ihm nicht das gleiche Schicksal blüht wie Schuberts Sinfonie. Es soll in diesem Jahr nämlich noch fertig werden.«
Als Steffi mit dem Schnellhefter zurückkam, saßen alle wieder auf ihren Stühlen. Ich überlegte kurz, in welchem Kapitel die Familie komplett in
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