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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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sich schnurstracks in die Buchabteilung begeben und dort »erst mal Dampf gemacht«, wie er sich später ausdrückte. »Da tut sich ja überhaupt noch nichts.«
    Herr Sebaldt war ein Abgesandter des Verlags, der meine Werke und mich vor den Übergriffen enthusiastischer Fans schützen sollte. Glaubte er zumindest, denn er war noch neu im Haus.
    Nun tat sich endlich etwas. Ein Küchentisch wurde geholt, Bücher herangekarrt, das Plakat hing schon, eine Verkäuferin suchte Stifte zusammen, eine andere bemühte sich um Blumen und war stolz, als sie ein paar Stengel künstlicher Freesien aufgetrieben hatte. Die Wäscheabteilung spendierte Handgewebtes für den Plastiktisch.
    Und dann saß ich und wartete. Nach zehn Minuten hätte ich jede Puppe bis ins Detail beschreiben können, nach zwanzig Minuten hatte ich das Gefühl, ihre starren Blicke hätten sich in Mitleid verwandelt, nach dreißig Minuten kriegte ich Halluzinationen. Jetzt winkten mir die Puppen sogar schon zu.
    Nun pflegt sich Anfang November kaum jemand für Gardinen und Teppiche zu interessieren, denn das sind unübliche Weihnachtsgeschenke. Für Spielzeug war es zu früh, Weihnachten ist noch lange hin, die Gratifikation noch nicht auf dem Konto, außerdem muß man erst mal abwarten, was Oma und Opa den lieben Kleinen schenken wollen, sonst kauft man eventuell doppelt – lediglich eine ältere Dame wollte Rollerskates haben, und die wurde dann auch noch in die Sportabteilung geschickt. Ihr blieb gar keine Zeit, die »bekannte und beliebte Autorin« überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Und sonst gab es hier oben nichts, was Kunden anlocken konnte. Bücher wollte nämlich auch niemand kaufen. Weihnachten ist noch lange… (siehe oben), und vielleicht fällt einem für Onkel Friedrich doch noch etwas anderes ein. Bücher hat er ja schon.
    Ob es die beiden Damen durch Zufall nach hier verschlagen oder ob man sie gleich an der Rolltreppe abgefangen hatte, kann ich nicht sagen, jedenfalls entschlossen sie sich zum Kauf je eines Buches, und dann durfte ich endlich den Kugelschreiber benutzen. Daß er neu war und nicht schrieb, wunderte mich nun auch nicht mehr.
    Die Sitzung näherte sich dem Ende. Es fehlte nur noch das obligatorische Foto. Zu diesem Zweck erscheint in der Regel der Hausfotograf, der sonst immer die Schaufenster knipsen muß, dekoriert werbewirksam die Bücher, eins kriegt der Autor in die Hand, damit er tut, als schriebe er etwas hinein, und im Hintergrund stehen halbkreisförmig die Fans. Sie dürfen einem ruhig über die Schulter sehen, das macht sich später gut auf dem Bild.
    Was aber tut man, wenn erst gar keiner da ist, der einen umlagert? Das geht natürlich nicht, so etwas schadet dem Renommee des Hauses. Holt man sich schon einen Autor, dann hat die Signierstunde gefälligst auch entsprechend großen Zulauf zu haben.
    Die Verkäuferinnen der Buchabteilung genügten nicht. Der Herr Substitut von den Teppichen wurde um Mitwirkung gebeten, die Gardinenabteilung konnte auch jemanden kurzfristig entbehren, eine zufällig vorbeischlendernde Kundin kam genau im richtigen Augenblick, und schließlich wurde noch Steffi mit dem Rücken zur Kamera gestellt, zwei Bücher unterm Arm, ein drittes in der Hand.
    Kurz vor Schluß der Vorstellung kam sogar ein Bevollmächtigter der Geschäftsleitung, dem das alles ja so furchtbar peinlich war, aber der Geschäftsführer sei in Urlaub, sein Stellvertreter krank – oder umgekehrt –, er selber nicht genügend informiert, habe normalerweise auch gar nichts mit Büchern zu tun, aber trotzdem vielen Dank fürs Kommen und gute Heimfahrt.
    »Wollen wir?« fragte ich Steffi, als wir das gastliche Haus verlassen hatten. »In drei Stunden könnten wir’s schaffen.«
    »Aber nicht am verkaufsoffenen Samstag abends um fünf. Oder weißt du, wie wir auf kürzestem Weg aus der Stadt rauskommen?«
    Ich wußte es nicht, hatte auch keine große Lust, es herauszufinden, war sauer, wollte nach Hause und wollte doch wieder nicht, weil die Autobahn bestimmt krachend voll sein würde.
    »Weißt du was«, sagte Steffi, rührend bemüht, meine schlechte Laune zu ignorieren, »wir gehen nachher ins Kino!«
    »Einverstanden. Und vorher lade ich dich ganz groß zum Essen ein.«
    »Wird das nicht zu teuer?«
    »Nee, die Rechnung schicke ich nämlich Verlegers, dann haben sie auch noch ein bißchen Freude an der erfolgreichen Autogrammstunde.«
    Wieder zu Hause, fand ich unter der Post einen Brief vom Verlag. Ob ich am 27. d. M.

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